Ein Hochzeits-Video aus Tschetschien erschüttert die russische Öffentlichkeit. Denn statt fröhlicher Menschen sieht man vor allem eine niedergeschlagene Braut, die erst 17-jährige Luisa Goilabijewa. Es ist offensichtlich, dass sie den 47-jährigen Polizeichef Naschud Gutschigow nur widerwillig heiratet, während der ganzen Zeremonie würdigt sie ihn keines Blickes. Dabei ist die ganze Veranstaltung von der tschetschenischen Regierung inszeniert.
Der Chef der Präsidialverwaltung Magomed Daudow und eine Verwandte müssen die Braut fast zum Tisch schieben, an dem sie die Ehedokumente unterschreibt. Danach verkündet die Standesbeamtin die Ehe für gültig. Das Ehepaar steht weit auseinander, die Braut hat ihren Blick gesenkt.
Die Hochzeit ist aus mehreren Gründen problematisch: Die Braut ist minderjährig und soll zur Heirat gezwungen worden sein, der Bräutigam ist bereits verheiratet und der tschetschenische Prasident Ramsan Kadyrow war als Ehrengast dabei, denn er hat der Heirat höchst persönliche seinen Segen gegeben.
Kadyrow regiert seit 2007 mit eiserner Hand die russische Republik Tschetschenien. Vom Präsidenten Wladimir Putin erhält er freie Hand. Denn er sorgt für Ruhe in der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Doch jetzt geht er zu weit, finden viele Russen.
Journalistin musste Tschetschenien verlassen
Angefangen hat alles mit einem Artikel in der russischen Zeitung «Nowaja Gaseta». Die Journalistin Jelena Milaschina berichtete von der bevorstehenden Heirat, die offensichtlich unter Zwang stattfinde. Der mächtige Bräutigam hatte die Familie der Schülerin eingeschüchtert. Als sich die russische Öffentlichkeit darüber empörte, schaltete sich Kadyrow ein.
Er habe seine Leute ins Dorf geschickt, um die Verwandten von Luisa zu fragen, ob sie der Ehe zustimmen oder nicht. Sie hätten keine Einwände gehabt, deshalb könne die Ehe stattfinden.
«Nachdem sich Kadyrow persönlich eingemischt hatte, blieb der Braut und ihrer Familie keine Wahl mehr», sagt Tatiana Lokschina, die Leiterin des Büros der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Moskau zu «Welt.de». «Kadyrow geht hart gegen seine Gegner vor.» Die Journalistin, welche die Geschichte aufgedeckt hatte, verliess Tschetschenien nach unmissverständlichen Drohungen.
Kadyrow: «Besser zweite Frau als tot»
Nach russischem Recht hätte die Regierung in diesem Fall von Zwangsehe aktiv werden sollen. «Aber Moskau hat sich nicht eingemischt, und Kadyrow durfte diese Show abspielen», sagt die Tatiana Lokschina von Human Rights Watch.
Dass der Polizeichef bereits verheiratet ist, stellt für Kadyrow sowieso kein Problem dar. «Unsere Bräuche und unsere Religion erlauben Polygamie», sagte Kadyrow in einem Interview. Eine Beziehung ohne Ehe könne dagegen zu einem Ehrenmord führen. «Unsere Bräuche sind hart. Es ist besser, zweite oder dritte Frau zu sein als tot.» (sas)