Historiker, Verschwörungstheoretiker und Geschichts-Freaks sind in hellem Aufruhr: Noch diese Woche sollen die letzten Akten zur Ermordung von John F. Kennedy (1917–1963) an die Öffentlichkeit kommen.
Es geht um 3100 nie veröffentlichte Akten und weitere Hunderttausende Seiten an Dokumenten, aus denen bereits Auszüge publik wurden. Ein US-Gesetz von 1992 besagt, dass innerhalb von 25 Jahren alles raus muss.
Diese Frist läuft am Donnerstag ab: Das Nationalarchiv in Washington hat bereits angekündigt, die Akten zum Attentat vom 22. November 1963 während eines ganzen Tages bis spätestens Donnerstag im Internet zur Verfügung zu stellen – sobald das Weisse Haus grünes Licht gibt.
Das letzte Wort hat US-Präsident Donald Trump (71). Er hat am Samstag schon angekündigt, die Veröffentlichung zuzulassen. Später präzisierte ein Sprecher des Weissen Hauses: Dies werde geschehen, sofern nationale Interessen nicht gefährdet werden.
Ignoriert Trump die CIA?
Beobachter zweifeln daran, dass wirklich restlos alle Dokumente publiziert werden. Vor allem die CIA versucht mit allen Mitteln, eine komplette Offenlegung zu verhindern. Die Frage ist nun, ob Trump sich über den Geheimdienst, zu dem er ein zerrüttetes Verhältnis hat, hinwegsetzt.
Dabei ist es unwahrscheinlich, dass sich in den Akten eine «Bombe» befindet, welche die offizielle Version der US-Regierung – dass der Attentäter Lee Harvey Oswald (†24) alleine gehandelt hat – auf den Kopf stellt. Auch wenn noch immer zwei Drittel der US-Bevölkerung an der offiziellen Version zweifeln.
Doch es könnten Details darüber ans Licht kommen, wie die Geheimdienste damals vorgegangen sind. Und welche Fehler sie möglicherweise begangen haben. Auf jeden Fall werden die Dokumente ein kompletteres Bild der Ereignisse zeichnen, die zum Kennedy-Mord geführt haben.
Bereits jetzt ist anhand sogenannter Metadaten ersichtlich, wovon die Geheimakten handeln. Ein Drittel davon sind CIA-Dokumente, ein weiteres Drittel stammt vom FBI. Der Rest teilen sich weitere Behörden.
Besonders in folgenden mysteriösen Fällen erhofft man sich Antworten:
Der CIA-Chef-Attentäter
William King Harvey, auch genannt der «amerikanische James Bond», war zwischen 1960 und 1963 Chef der CIA-Abteilung, die Attentate verübte. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er John F. Kennedy und dessen Bruder Robert verachtete. Dies befeuerte die Theorie, dass das Kennedy-Attentat von innerhalb des Geheimdienstes orchestriert wurde.
Ein CIA-Agent erzählte einem Journalisten, dass er Harvey im November 1963 auf einem Linienflug nach Dallas gesehen habe. In der Tat ungewöhnlich für den Chef einer in Rom stationierten Abteilung.
Unter den Geheimakten befinden sich auch 123 Seiten, die Harveys Arbeit dokumentieren. Die Frage, die am meisten unter den Nägeln brennt: Befinden sich darunter auch Reisedokumente?
Der desertierte KGB-Agent
Im Jahr 1964 lief der KGB-Agent Yuri Nosenko während eines Aufenthalts in der Schweiz zu den US-Amerikanern über. Dort lieferte er den Geheimdiensten Informationen über die Sowjet-Akte von Lee Harvey Oswald. Angeblich gebe es darin keine Hinweise auf eine russische Mitschuld am Attentat.
James Jesus Angleton, der legendäre Chef der CIA-Spionageabwehr, verdächtigte Nosenko jedoch, ein Doppelagent zu sein. Angleton glaubte, wenn er den Russen knacken könnte, wäre das das fehlende Puzzleteil, das die Schuld der Sowjets nachweisen könnte. Nosenko wurde vier Jahre lang gefangen gehalten und verhört. Doch der Verdacht erhärtete sich nie.
Unter den Geheimakten befinden sich 42 Einträge zu Nosenko, darunter Verhör-Transkripte und Tonaufnahmen. Sie könnten Licht in eine der intensivsten Maulwurf-Jagden der USA bringen.
Oswalds Treffen mit dem Sowjet-Vertreter in Mexiko
Sechs Wochen vor dem Attentat traf Lee Harvey Oswald in Mexiko den Sowjet-Diplomaten Valery Kostikov. CIA-Berichten zufolge soll der Russe Chef der KGB-Attentats-Abteilung sein. Später wurde der Verdacht vom Geheimdienst fallengelassen, doch die Gerüchte verstummten nie völlig.
In den Geheimakten befindet sich ein 167-seitiges CIA-Dokument zu Kostikov. Dies könnte mehr über seine wahre Identität und das Treffen mit Oswald in Mexiko ans Licht bringen.
Der Mord an Oswald
Zwei Tage nach dem Attentat verschaffte sich der Clubbesitzer Jack Ruby Zugang zum Polizeigebäude in Dallas und erschoss Lee Harvey Oswald in der Tiefgarage. Der Attentäter konnte nicht mehr ausführlich befragt werden, was viele Verschwörungstheorien befeuerte. Ruby beteuerte zeitlebens, als Einzeltäter gehandelt zu haben. In den Geheimakten gehört sein Name zu den am meisten auftauchenden Schlüsselwörtern.
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