So schlimm ist die Wasser-Krise in Kapstadt
«Ich darf nur 90 Sekunden duschen»

Kapstadt verdurstet! Wegen der Wasserknappheit müssen die Einwohner mit 50 Litern pro Tag auskommen. Ein BLICK-Reporter erlebt die dramatische Situation hautnah mit. An Hygiene sei fast nicht mehr zu denken.
Publiziert: 31.01.2018 um 12:35 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2018 um 12:25 Uhr
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Ein Einwohner von Kapstadt mit abgefülltem Trinkwasser (Aufnahme vom 31. Januar 2018).
Foto: Keystone/EPA/Nic Bothma
Anastasia Mamonova

50 Liter Wasser pro Tag - zum Duschen, Putzen, Kochen, Trinken, WC-Spülen und Waschen. Mit diesen drastischen Massnahmen will die Regierung in Kapstadt die «Stunde null» am 12. April vermeiden. Wegen der anhaltenden Dürre in der südafrikanischen Metropole müsste dann die Wasserversorgung eingestellt werden.

BLICK-Reporter Andreas Hobi (21) lebt seit Anfang Januar in Kapstadt und kämpft mit den Hürden des Alltags. «Die Lage ist recht übel. Ich darf nur noch 90 Sekunden lang duschen und die WC-Spülung nur im Falle eines grossen Geschäfts betätigen», sagt er. Wohl ist ihm ohne Wasser nicht. «Man fühlt sich dreckig - ein bisschen wie beim Zelten an einem Festival. Hygienisch ist das definitiv nicht.»

Bis letzte Woche durften er und seine vier WG-Mitbewohner noch 87 Liter pro Kopf und Tag verbrauchen. «Da durfte ich noch zwei Minuten duschen. Ich liess extra kurze Lieder laufen, damit ich wusste, wann ich aufhören muss.»

Apfelessig gegen Uringestank

Seit Anfang Woche gilt in ihrem Haus die 50-Liter-Regel. Die WC-Spülung wurde bereits abgestellt. Zum Vergleich: In der Schweiz werden im Durchschnitt 140 Liter Wasser täglich verbraucht. Darum duschen die Männer nur jeden zweiten Tag, putzen mit dem Duschwasser die Wohnung und verwenden das Kochwasser zum WC spülen. Dabei gilt: Nur beim grossen Geschäft spülen. Um gegen Urin-Gestank anzukämpfen, tropft er etwas Apfelessig in die Kloschüssel.

Für das Spülen gilt: «If it's yellow let it mellow, if it's brown flush it down». Deswegen müssen Alternativen her.
Foto: Twitter

Wenn der Schweizer im Ozean schwimmt, duscht er danach nicht mehr, sondern reibt sich lediglich mit Bodylotion ein. «Deo, Trockenshampoo und feuchte Tücher sind zu wichtigsten Helferlein im Alltag geworden», sagt er. Viele Menschen würden sich mittlerweile in einem See oder Fluss säubern. Dort wuschen sie auch ihre Kleidung.

60 Prozent verbrauchen zu viel Wasser

Doch nicht alle Einwohner scheinen die Lage wirklich ernst zu nehmen. Denn 60 Prozent verbrauchen immer noch zu viel Wasser. «Viele lassen häufig beim Zähneputzen das Wasser laufen», erzählt der 21-jährige Melser. Auch tendieren die Menschen zur Verschwendung, wenn sie die eigenen vier Wände verlassen. «Wenn man sich in einem Restaurant die Hände ordentlich wäscht, verbraucht man sozusagen fremdes Budget.»

Machen die Bewohner Kapstadts in diesem Stil weiter, werden ab 12. April nur noch 25 Liter pro Person an bestimmten Wasserausgabestellen verteilt. Das soll dem internationalen Mindestmass für Hygiene und Gesundheit entsprechen.

Doch nicht in allen Stadtteilen wird der Wasserhahn zugedreht. Neben wichtigen Wirtschaftszentren und Spitälern sollen auch die Einwohner der Townships weiter Wasser zur Verfügung haben - aus humanitären Gründen. «Vielen ist dort gar nicht bewusst, wie verheerend die Situation ist. Sie haben kein Bedürfnis zu sparen, lassen teils den ganzen Tag das Wasser laufen und waschen täglich die Autos.» Manche würden sogar einen illegalen Waschservice anbieten.

Illegale Autowäsche in den Townships von Kapstadt.
Foto: Facebook Screenshot

Leute stehen für Wasser Schlange

Hohe Bussen sollen die Menschen dazu zwingen, jeden Tropfen zu sparen. Andreas Hobi ist dennoch überzeugt, dass die «Stunde null» eintreffen wird. «Es wird eine Tragödie.» Die Leute in Kapstadt seien sauer auf die Regierung, die das Problem jahrelang ignoriert hat und keine Vorsorge-Massnahmen einleitete. Die Stadt verbraucht derzeit rund 600 Millionen Liter pro Tag. Nur bei einer Reduzierung auf 450 Millionen Liter pro Tag lässt sich die «Stunde null» noch vermeiden.

Grosse 5-Liter-Wasserflaschen sind in vielen Supermärkten bereits ausverkauft und die Leute stehen mit riesigen Kanistern Schlange, um irgendwo gegen Bezahlung noch Wasser zu kriegen. Auch der Tourismus leide unter der Wasserknappheit. «Viele Hotels und Restaurants haben zwar eigene Wasseranlagen, aber auch dort weist man die Leute auf die Not hin.» Einige Reisende hätten ihre Ferien deswegen bereits storniert oder verlagern sie in andere südafrikanischen Städte.

Aktuell werden Entsalzungsanlagen gebaut, die die Not lindern sollen. Im März sollen sie fertig sein. «Ansonsten kann man nur noch auf den rettenden Regen hoffen», sagt Hobi.

Jetzt kommen Wasser-Spenden per Whatsapp

Bald könnte die gefürchtete «Stunde null» in Kapstadt anbrechen: Der Zeitpunkt, an dem die Stadt den Hahn zudreht und die Bewohner nur noch an 200 Ausgabestellen Wasser beziehen können – unter strenger Aufsicht von Polizei und Militär.

Aus Sorge um ihre Mitbürger hat Talita van der Heever aus dem tausend Kilometer entfernten East London einen Aufruf über Whatsapp gestartet, wie «CNN» berichtet. «Ich habe gefilmt, wie ich mein WC spüle und dazu geschrieben, dass dies für uns selbstverständlich ist, für die Leute in Kapstadt derzeit aber nicht.» Und dass man sich melden solle, wenn man Wasser nach Kapstadt transportieren könne.

Sie verschickte die Nachricht an 300 Kollegen, bat sie, zwei Fünfliter-Kanister zu spenden. Ihre Idee: Lastwagen, die Lebensmittel von Kapstadt nach East London transportieren, könnten auf dem Rückweg Wasser mitnehmen. Innert 24 Stunden explodierte ihr Whatsapp-Account förmlich. Hunderte Nachrichten gingen ein, alle wollten sich irgendwie beteiligen.

Mittlerweile existiert ein Hashtag # Water4CapeTown . Und alle helfen mit: Sammelstellen werden organisiert, Firmen melden sich, die ihre Lastwagen oder ihr Land zur Verfügung stellen.

Van der Heever: «Mein Telefon hört nicht auf zu klingeln.» Bisher sind 60 Tonnen Wasser in Durban, 90 Tonnen in Johannesburg und 30 in East London zusammengekommen, die alle nach Kapstadt gebracht werden. (neo)

AP

Bald könnte die gefürchtete «Stunde null» in Kapstadt anbrechen: Der Zeitpunkt, an dem die Stadt den Hahn zudreht und die Bewohner nur noch an 200 Ausgabestellen Wasser beziehen können – unter strenger Aufsicht von Polizei und Militär.

Aus Sorge um ihre Mitbürger hat Talita van der Heever aus dem tausend Kilometer entfernten East London einen Aufruf über Whatsapp gestartet, wie «CNN» berichtet. «Ich habe gefilmt, wie ich mein WC spüle und dazu geschrieben, dass dies für uns selbstverständlich ist, für die Leute in Kapstadt derzeit aber nicht.» Und dass man sich melden solle, wenn man Wasser nach Kapstadt transportieren könne.

Sie verschickte die Nachricht an 300 Kollegen, bat sie, zwei Fünfliter-Kanister zu spenden. Ihre Idee: Lastwagen, die Lebensmittel von Kapstadt nach East London transportieren, könnten auf dem Rückweg Wasser mitnehmen. Innert 24 Stunden explodierte ihr Whatsapp-Account förmlich. Hunderte Nachrichten gingen ein, alle wollten sich irgendwie beteiligen.

Mittlerweile existiert ein Hashtag # Water4CapeTown . Und alle helfen mit: Sammelstellen werden organisiert, Firmen melden sich, die ihre Lastwagen oder ihr Land zur Verfügung stellen.

Van der Heever: «Mein Telefon hört nicht auf zu klingeln.» Bisher sind 60 Tonnen Wasser in Durban, 90 Tonnen in Johannesburg und 30 in East London zusammengekommen, die alle nach Kapstadt gebracht werden. (neo)

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