So geht es Rapper Besko und den schweren Jungs in Pristina
BLICK unterwegs mit Ausgeschafften und Ausbrechern

Sie raubten Geschäfte aus, prügelten Menschen in den Rollstuhl – oder brachen aus dem Gefängnis aus. Die Ausgeschafften und Ausbrecher des Kosovo kennen sich – und helfen sich. BLICK hat die schweren Jungs besucht.
Publiziert: 06.08.2017 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:35 Uhr
«Ich habe im Kosovo Fuss gefasst»
2:42
Rapper Besko zieht neun Monate nach der Ausschaffung Bilanz:«Ich habe im Kosovo Fuss gefasst»
Michael Sahli

Pristina ist klein. Gerade 200'000 Menschen wohnen in Kosovos Hauptstadt samt umliegenden Dörfern. Man kennt sich. Das gilt auch für die schweren Jungs, die aus der Schweiz nach Kosovo ausgeschafft wurden – oder einfach in der Schweiz aus dem Knast getürmt sind. «Wir sind eine Gemeinschaft» fasst es Rapper Besijan Kacorraj (32) zusammen, besser bekannt unter dem Künstlernamen Besko.

Er nimmt BLICK mit an den Stammtisch der Kriminellen. Dabei zeigt sich: Die Schweiz ist den Ausgeschafften viel näher, als man erwarten würde.

Besko sass fast sechs Jahre hinter Schweizer Gittern, unter anderem wegen bewaffneten Raubes. Danach wurde er ausgeschafft. «Ich stieg aus dem Flieger, hatte gerade mal 50 Euro in der Tasche. Und keinen Plan, wohin ich gehen soll», sagt der Mann, der seit Kindesalter in der Schweiz wohnte. Im Kosovo ist die Arbeitslosigkeit hoch – die Löhne aber tief. Und auf die Kriminellen aus der Schweiz hat hier niemand gewartet.

«Ich traf den Afrikaner so am Kopf, dass er heute im Rollstuhl sitzt»

Schnell lernte Besko den ebenfalls ausgeschafften Naim D.** (27) aus Thun BE kennen. D. nippt an seinem Bier, spricht in breitem Berndeutsch: «Ich wohne seit drei Jahren im Kosovo.» In der Schweiz war der Bär von Mann Zweiradmechanikerstift. «Eines Abends bekamen ein paar meiner Kumpels im Ausgang Streit mit einer Gruppe Afrikaner.» Kraftsportler Naim D. schlägt zu. «Ich traf den Afrikaner so am Kopf, dass er heute im Rollstuhl sitzt», sagt er. D. hielt es für Selbstverteidigung, das Gericht sah es anders, verurteilte ihn zu 28 Monaten unbedingt und sechs Monaten bedingt. Und schickte ihn danach in den Kosovo.

«Seit der Ausschaffung bin ich ein Fremder im eigenen Land»
3:06
Naim D. hat einen Afrikaner in den Rollstuhl geprügelt:«Seit der Ausschaffung bin ich ein Fremder im eigenen Land»

Nach Beskos Ankunft suchen die beiden schweren Jungs eine Wohnung in Pristina: «Meine Familie wohnt in einem kleinen Dorf, beruflich wäre es dort sehr schwierig geworden», so Besko. Komplettiert wird die Truppe heute durch L. L.* (49). Wegen verschiedener Delikte sass der Familienvater mehrere Jahre in Schweizer Gefängnissen. Bis er im Jahr 2004 türmte. Noch immer stehen Fahndungsbilder im Internet. «Pack das weg, bitte, meine Kinder wissen von nichts», sagt L. dazu.

Er floh aus dem mittlerweile geschlossenen Bezirksgefängnis Bremgarten. «Ich musste nur einen Graben überwinden, dann war ich draussen», so L. «Danach versteckte ich mich, bis ich keine Hunde und Helikopter mehr hörte.» Per Autostopp und Fähre kam er über Italien bis in den Kosovo. Heute hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.

So schnell wie möglich zurück in die Schweiz

«Er hat auch nach Jahren Mühe, sich im Kosovo zu integrieren», meint Kumpel Besko besorgt. Die Idee des Rappers: Im Kosovo eine Auffangstation für Ausgeschaffte und Ex-Kriminelle einzurichten. «Für einige ist hier die Versuchung sonst gross, rückfällig zu werden», erklärt er. Er selber hat besser Fuss gefasst: Besko und Naim verdienen ihr Geld mit dem Übersetzen von Texten von Albanisch auf Deutsch. «Zudem coache ich ein Callcenter, das von Kosovo in die Schweiz telefoniert. Ich erkläre, wie man mit Schweizern am Telefon sprechen muss», so der Rapper. Damit komme er auf etwa 700 Euro pro Monat – für lokale Verhältnisse ein stolzer Lohn (Durchschnitt: um die 350 Euro).

Der Vater eines Kindes, das hier lebt, sieht seine Zukunft aber in der Schweiz. Wie auch die anderen schweren Jungs. Bei Besko und Naim dauert die Einreisesperre noch vier Jahre – danach wollen die beiden schleunigst wieder zurück in die Schweiz. Sogar Ausbrecher L. L. will sein Glück noch mal in der Eidgenossenschaft versuchen: «Meinen Kindern zuliebe!» Eine schlechte Idee: Wie BLICK von der Kapo AG erfährt, ist L. noch immer zur Verhaftung ausgeschrieben. 

*Name der Red. bekannt

** Name von der Red. geändert

Der Fall Besko

Zürich – Besko, mit bürgerlichem ­Namen Besijan Kacorraj (33), ist der wohl berühmteste Ausgeschaffte der Schweiz. Er war noch ein Baby, als ­seine Mutter aus dem Kosovo in die Schweiz auswanderte.

Im Zürcher Kreis 4 gerät der junge Besko schnell auf die schiefe Bahn. Er beginnt seine kriminelle Karriere als Autoknacker und landet schliesslich bei bewaffneten Raubüberfällen. Besko kommt auf die Fahndungsliste von Interpol und wird in Deutschland von einem Spezialkommando verhaftet.

Fast sechs Jahre sitzt er hinter Gittern. Mit positiven Folgen: Er beginnt zu rappen, um junge Menschen von der schiefen Bahn abzuhalten. Obwohl sich am Schluss sogar SVP-Nationalrat Lukas Reimann für den Kosovaren eingesetzt hatte, musste Besko die Schweiz vor fast ­einem Jahr verlassen. Der Fall Besko soll nun sogar verfilmt werden.

Besijan Kacorraj (32)
Besijan Kacorraj (32)
Thomas Meier

Zürich – Besko, mit bürgerlichem ­Namen Besijan Kacorraj (33), ist der wohl berühmteste Ausgeschaffte der Schweiz. Er war noch ein Baby, als ­seine Mutter aus dem Kosovo in die Schweiz auswanderte.

Im Zürcher Kreis 4 gerät der junge Besko schnell auf die schiefe Bahn. Er beginnt seine kriminelle Karriere als Autoknacker und landet schliesslich bei bewaffneten Raubüberfällen. Besko kommt auf die Fahndungsliste von Interpol und wird in Deutschland von einem Spezialkommando verhaftet.

Fast sechs Jahre sitzt er hinter Gittern. Mit positiven Folgen: Er beginnt zu rappen, um junge Menschen von der schiefen Bahn abzuhalten. Obwohl sich am Schluss sogar SVP-Nationalrat Lukas Reimann für den Kosovaren eingesetzt hatte, musste Besko die Schweiz vor fast ­einem Jahr verlassen. Der Fall Besko soll nun sogar verfilmt werden.

BLICK im Kosovo

Die Schweiz und der Kosovo sind untrennbar miteinander verbunden. Zehn Prozent der Bevölkerung des Balkanstaats leben in der Schweiz – etwa 200'000 Menschen. Der Kosovo wäre ohne die Schweiz ein anderes Land. Wir waren unter den Ersten, die die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten. Und jedes Jahr fliessen Millionen Franken von der Schweiz Richtung Pristina.

Während die Schweiz für viele Kosovaren zur neuen Heimat wurde, ist der Kosovo für viele Schweizer ein weisser Fleck auf der Landkarte. BLICK hat das Land bereist – und startet heute die grosse Serie zum «Kanton Kosovo».

Die Schweiz und der Kosovo sind untrennbar miteinander verbunden. Zehn Prozent der Bevölkerung des Balkanstaats leben in der Schweiz – etwa 200'000 Menschen. Der Kosovo wäre ohne die Schweiz ein anderes Land. Wir waren unter den Ersten, die die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten. Und jedes Jahr fliessen Millionen Franken von der Schweiz Richtung Pristina.

Während die Schweiz für viele Kosovaren zur neuen Heimat wurde, ist der Kosovo für viele Schweizer ein weisser Fleck auf der Landkarte. BLICK hat das Land bereist – und startet heute die grosse Serie zum «Kanton Kosovo».

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