Skandal um Behinderten-Sportlerin Cassie Cava
Vergewaltigt, gemobbt, aus dem Team geworfen

Die Britin Cassie Cava wollte im Para-Snowboarding eine Medaille für ihr Land gewinnen. Als einzige weibliche Athletin fühlte sie sich in ihrem Team allerdings unwohl, weil sie vor wenigen Jahren Opfer einer Massenvergewaltigung wurde. Statt sie zu unterstützen, sorgte ihr Verband dafür, dass Cava in der Psychiatrie landete.
Publiziert: 27.01.2018 um 01:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:50 Uhr
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Cassie Cava hätte an den Paralympischen Winterspielen von Pyeongchang eine Medaille für ihr Land holen können.
Foto: Twitter
Fabian Vogt

Cassie Cava hatte sich gute Chancen ausgerechnet, bei den Paralympics im März in Pyeongchang eine Medaille zu gewinnen. Doch zu Beginn des Jahres gab sie ihren grossen Traum auf, weil sie nicht ertragen konnte, wie der Verband mit ihr umsprang.

2013 war Cava, die mit zwei Klumpfüssen geboren wurde, in Europa unterwegs, als sie Opfer einer Massenvergewaltigung wurde. Nach wie vor leidet sie darunter, hat nie genau erzählt, was geschehen ist. Um sich abzulenken, begann sie ein Medizinstudium. Doch dann der nächste Rückschlag: Cassie Cava hatte einen Unfall und entschied, sich das rechte Bein unterhalb des Knies amputieren zu lassen. Es bedeutete einen Unterbruch ihres Studiums aber den Start in eine erfolgsversprechende Karriere als Snowboarderin. 

Unsicher unter Männern

Bald einmal war ihr Talent ersichtlich und das Ziel für Cava klar: Sie wollte in Pyeongchang die erste weibliche Para-Snowboarderin aus Grossbritannien werden. Bloss: Dafür musste sie mit Männern trainieren. Als sie ihren Trainern Ende 2016 von der Vergewaltigung erzählte und erklärte, dass sie sich deshalb in einem rein männlichen Umfeld unsicher fühlt, stiess sie laut eigener Aussage nur auf Unverständnis. Ein Betreuer habe sich sogar lustig gemacht und sie gefragt: «Willst du dich nicht lieber erhängen?», wird sie in der britischen Zeitung «Telegraph» zitiert.

Einmal bat sie bei einem Trainingslager einen Betreuer des paralympischen Wintersportverbands, ihr beim Schlafen im Massenschlag etwas mehr Platz zu lassen. Er ignorierte die Bitte – Cava wechselte auf das Sofa im Wohnzimmer. Durch diese und weitere Episoden wurde ihre mentale Gesundheit immer stärker angeknackst, bis sich die Athletin im Februar 2017 in eine Klinik einweisen liess. Dort im Bett liegend erhielt sie die Mitteilung, dass sie vom Verband aufgrund von «Verhaltensschwierigkeiten» künftig keine finanzielle Unterstützung mehr erhalte und wurde als Konsequenz aus dem Team geworfen.

Erholung währte nur kurz

Aus der Klinik entlassen, trat sie deshalb beim nächsten Event als unabhängige Athletin an und wurde sogleich Zweite. Kurz darauf gewann sie auch vor Gericht, wo sie erfolgreich gegen den Entscheid des Verbands in Berufung ging und wieder Unterstützung erhielt. Doch als sie dachte, nun geht es aufwärts, kam der nächste Tiefpunkt.

Beim Wintersportverband dachte man offenbar nicht daran, Cava zu helfen. Sie fragte, ob sie im nächsten Trainingslager eine weibliche Athletin als Support dabei haben könnte, was abgelehnt wurde. Das war der letzte Nackenschlag. «Das Trainingslager war schrecklich. Ich hatte eine gute Unterstützung in der Klinik erhalten, meine mentalen Probleme im Griff und war bereit, Alles für den Sport zu geben», sagte Cava. Doch der Verband habe sich schlichtweg geweigert, auf ihre gesundheitlichen Probleme Rücksicht zu nehmen. «Ich wurde derart schlecht behandelt. Es war schlimmer als die Vergewaltigung. Ich war verletzlich und brauchte etwas Unterstützung und erhielt das Gegenteil». 

Erfolge im Triathlon

Anfang Jahr hat sich Cava deshalb entschieden, aus dem Team auszutreten. Der britische Sportverband und der paralympische Schneesportverband haben gemeinsam eine Untersuchung eingeleitet. Eine Sprecherin des Schneesportverbands sagte, man solle keine voreiligen Schlüsse ziehen, ohne alle Fakten zu kennen. Mehr könne sie aufgrund der laufenden Untersuchung nicht sagen. 

Nebst Snowboarding bestreitet Cassie Cava auch Triathlon auf Spitzen-Niveau. Kurz nach ihrer Entlassung aus der Klinik wurde sie Europameisterin im Para-Triathlon. Dort sei sie akzeptiert worden und habe stets die Unterstützung erhalten, die sie brauche. «Im britischen Paraschneesport aber hat das Management überhaupt kein Verständnis für mentale und andere Schwierigkeiten. Ich wurde einfach als jemand betrachtet, der nicht gut genug war.»

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