Sie sang im Chor, brachte gute Noten nach Hause, traf sich mit Freunden. Dann begann sich die 13-jährige Olivia* aus Kalifornien (USA), zu verändern. Sie verliess kaum noch das Haus, starrte unentwegt auf ihr Smartphone. Ihre Mutter Mary* machte sich Sorgen, fürchtete, ihre Tochter an Youtube-Videos zu verlieren, die Olivia täglich stundenlang schaute.
Weil sie nicht mehr weiterwusste, zog Mary die Notbremse und liess ihre Tochter in ein Therapie-Center einliefern. Die Diagnose: Internet-Sucht! Eine Sucht, an der die 13-Jährige beinahe gestorben wäre. Und alles nur, weil sie auf dem Pausenplatz mitreden wollte.
Prügel-Videos und Depressionen
«Ich habe einfach versucht, so viele Videos zu schauen wie ich konnte, damit ich so viel wusste wie sie», sagt Olivia dem US-Fernsehsender «PBS». Sobald sie aus der Schule kam, gab es nichts Wichtigeres als Youtube. So begann sich Olivia langsam zu verändern. Sie wurde gereizter und hatte oft schlechte Laune, sagt die Mutter über die Tochter.
Aber nicht nur Olivia selbst, sondern auch die Videos, die sie konsumierte, änderten sich. Immer gewalttätiger wurden nämlich die Videos, die sie konsumierte. Der Schmerz, den andere Menschen zu ertragen hatten, lenkte sie von ihren eigenen Problemen ab, erklärt die Schülerin rückblickend.
Anleitung zum Umbringen
Die Noten von Olivia wurden schlechter. Als sie dann eine besonders schlechte Note mit nach Hause brachte, sagte sie ihrer Mutter, dass sie nicht mehr leben wollte. Aus Sorge, ihr Kind zu verlieren, brachte sie Olivia zur Beobachtung für eine Woche in die Psychiatrie.
Nach ihrer Entlassung nahm die Schülerin eine Packung Pillen, um sich umzubringen. Wie viele Tabletten sie nehmen musste, recherchierte Olivia natürlich auf Youtube.
Olivia überlebte. Doch es musste sich etwas grundlegend ändern. Die Eltern wandten sich an das Sucht-Zentrum «Paradigm», das sich auf Jugendliche spezialisiert hat. Dort konnte man dem Mädchen schliesslich helfen. Auch, weil Olivia nicht die einzige Jugendliche ist, die mit der Diagnose Internet-Sucht in das Zentrum kam.
Immer mehr Internet-Süchtige
Immer mehr Jugendliche mit ähnlichen Problemen und Sorgen kommen in das Sucht-Zentrum, erklärt Jeff Nalin, der Chefpsychologe der Einrichtung. Für die Eltern ist diese Abhängigkeit schwer zu verstehen. Aber die digitale Welt gehört mittlerweile zu unserem Alltag. Und den richtigen Umgang müssen diese Kinder lernen. «Am besten vergleichen lässt sich die Internet-Sucht vielleicht mit einer Essstörung. Man kann nicht von Essen runterkommen oder nüchtern werden. Man muss lernen, damit umzugehen», sagt Nalin.
Olivia hat es vorerst geschafft. Sie geht wieder zur Schule, will sich nie wieder derart von der Aussenwelt abkapseln. Ihre Mutter kontrolliert, wie oft sie ihr Handy nutzt. Denn darin sind sich beide einig: Nie wieder soll Olivia rückfällig werden. (jmh)
* Namen geändert