Der Notruf erreicht das Rettungsschiff Proactive vom Hilfswerk Open Arms. Ein Flüchtlingskahn sei im Mittelmeer auseinandergebrochen. Die libysche Küstenwache reagiert nicht. Also eilt das spanische Schiff zur Rettung. Es ist 7.20 Uhr, als es am Unglücksort eintrifft. Die Helfer finden Leichen. Zwischen einem toten Baby und dessen toter Mutter krallt sich Josefa an einem treibenden Plankenstück fest.
Über 48 Stunden kämpft die Frau aus Kamerun in den Fluten. Die Bilder der stark traumatisierten Afrikanerin gehen um die Welt (BLICK berichtete). Da entdeckt eine Italienerin auf einem Foto: Josefa hat rot lackierte Fingernägel!
Josefas Rettung soll Fake News sein
«Die flieht vor Krieg und lackiert sich die Fingernägel? Die Hände sehen auch nicht aus wie nach Stunden im Wasser», postet die Dame auf Facebook. Sie ist nicht die Einzige. Neben den roten Fingernägeln werden auch bunte Armbänder erspäht. Ausserdem sei Josefa wohlgenährt. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es der Schiffbrüchigen ja «so schlecht» nicht gehen könne.
Ein wahrer ausländerfeindlicher Shitstorm bricht los. Mitten drin Italiens Innenminister Matteo Salvini (45). Der Flüchtlingshasser der Lega beginnt die ganze Rettungsaktion in Frage zu stellen. Die Medien greifen «den Skandal» auf. Schliesslich erzählen Zeugen und Helfer der Open Arms, was wirklich auf der Proactive geschah.
Helferinnen lackierten Josefa die Fingernägel
«Als wir Josefa aus dem Meer zogen, hatte sie keine lackierten Fingernägel», erzählt die Journalistin Annalisa Camilli, die mit an Bord des NGO-Rettungsschiffs war, «den Lack haben ihr Helferinnen während den vier Tagen Fahrt zum spanischen Hafen aufgelegt, um die stark traumatisierte Frau zu beruhigen.»
Das Bild mit den lackierten Fingernägeln sei erst Tage nach der Rettung gemacht worden. Zum Beweis veröffentlicht die Journalistin die Fotos gleich nach der Bergung. Josefas Fingernägel sind da noch unlackiert. Ihre Handgelenke schmücken keine bunten Bänder.
Demonstranten mit roten Händen protestieren in Rom
Doch in Italiens Netz wird weiter gehetzt. «Die Helfer scheinen genug Geld zu haben, um sich Maniküre und Pediküre zu leisten», schreibt einer. Ein weiterer fragt: «Bieten die Flüchtlingen auch ein Sonnenstudio?» Oder es steht: «Salvini hat doch recht, wenn er diese Rettungsschiffe als Kreuzschiffe bezeichnet. Die haben sogar Maniküre im Service.»
Viele Italiener sind aber nicht so zynisch. Seit fünf Tagen strömen Hunderte von Menschen vors Innenministerium in Rom. Ihre Hände sind rot bemalt. Ein Zeichen des Protests gegen die rechtspopulistische Flüchtlingspolitik Salvinis. 2018 sind 1500 Flüchtlinge im Mittelmeer umgekommen. Allein im vergangenen Monat, seitdem der Lega-Politiker die italienischen Häfen schloss, ertranken 500 Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren.