Was läuft gerade an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien?
Das türkische Militär begann am Freitag mit dem Beschuss der Region Afrin in Nordwest-Syrien. Am Wochenende drangen türkische Einheiten in Syrien ein. Die Offensive heisst «Operation Olivenzweig» – ein Hohn, denn der Olivenzweig gilt als Symbol des Friedens. Bisher starben 21 Menschen, darunter sechs Kinder. In der Region Afrin leben zurzeit rund 800'000 Zivilisten. Viele von ihnen sind Kurden, die während des Bürgerkriegs dahin geflohen waren.
Warum dringen die Türken in Syrien ein?
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekämpft die von den USA unterstützte kurdische YPG-Miliz. Diese gilt als syrischer Arm der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Erdogan begründet den Einmarsch damit, dass die YPG-Miliz die türkische Sicherheit bedrohe. Ziel der Offensive sei, die 8000 bis 10'000 YPG-Kämpfer aus dem Grenzgebiet zu vertreiben und die Bewohner von Afrin von der «Unterdrückung durch Terroristen» zu befreien. Erdogan möchte eine 30 Kilometer lange Pufferzone zwischen den Staaten schaffen.
Warum haben sich gerade in dieser Region so viele Kurden niedergelassen?
Die Region Afrin gehört zu den wenigen Gebieten Syriens, die vom Bürgerkrieg fast verschont geblieben sind. Hier konnten sich kurdische Flüchtlinge einigermassen in Sicherheit wähnen. Der syrische Machthaber Assad verschonte Afrin vor Luftangriffen, weil sich die Kurden nie offen gegen sein Regime gestellt hatten. Die Kurden brachten die Wirtschaft in Afrin so gut wie möglich zum Laufen und kamen sogar einem eigenen kleinen Staat schon sehr nahe. Ein rotes Tuch für Erdogan!
Wie läuft der Einmarsch ab?
Die türkischen Soldaten werden in Syrien von Kampfjets und aus Deutschland gekauften Leopard-2-Panzern begleitet. Nebst Türken sind auch Hunderte verbündete syrisch-arabische Milizen an der Aktion beteiligt.
Wie gefährlich wird dieser Konflikt?
Der Konflikt könnte ausarten. Erdogan hat angekündigt, in einem weiteren Schritt die Gegend um Manbidsch zu erobern. Damit würden die Türken die Amerikaner direkt herausfordern: US-Präsident Donald Trump plant nämlich, in diesem Gebiet die amerikanischen Grenzschutz-Truppen für Syrien auszubilden. Erdogan verkündet: «Wir werden keinen Schritt zurückweichen.» Das Vorgehen sei mit Russland abgesprochen, die USA habe man aber «bei einigen Fragen nicht überzeugen» können.
Wie reagiert die Welt auf den Einmarsch?
Der Uno-Sicherheitsrat hat am Montag über die Offensive beraten, allerdings keine Stellungnahme abgegeben. Es hiess, die Lage in Afrin sei nur ein Aspekt «der Situation in Syrien». Das Weisse Haus mahnte, alle Seiten müssten sich darauf konzentrieren, den IS zu besiegen und den Konflikt in Syrien zu lösen. Die EU zeigte sich «besorgt» und Moskau forderte, dass die Rolle der Kurden im Friedensprozess garantiert sein müsse. In mehreren deutschen Städten gingen Hunderte kurdische Demonstranten auf die Strasse.