Der Demonstrant Olivier Beziade liegt schwerverletzt am Boden. Im Hintergrund hört man den Einsatzleiter der Polizei, der seinen Leuten befiehlt, sie sollten die Hülsen am Boden einsammeln. Die französische Polizei geht mit harter Hand gegen die Gelbwesten vor. Das über Social Media geteilte Video des verletzten Beziade zeigt, dass die Beamten zumindest in diesem Fall gezielt Beweise für ihre Verantwortung an den Verletzungen des Demonstranten verschwinden lassen.
Wie SRF und die «NZZ am Sonntag» berichten, gehen die französischen Polizisten auch mit Schweizer Waffen gegen die Gelbwesten vor. Ein wesentlicher Teil der schweren Verletzungen geht gegen Vier-Zentimeter-Hartgummigeschosse zurück. Diese werden den Berichten zufolge mit dem Granatwerfer GL-06 abgefeuert, der von der Firma Brügger & Thomet in Thun hergestellt wird.
«Vermindert tödlich»
Die «NZZ am Sonntag» zitiert aus dem Firmenkatalog: Die für den Granatwerfer vorgesehene Munition habe die Eigenschaft «less lethal», sei also «vermindert tödlich». Für die gleiche Waffe ist angeblich auch andere, für den Kriegseinsatz geeignete Munition erhältlich.
«Vermindert tödlich» bedeutet, dass im Falle der Verwendung das Risiko tödlicher Verletzungen in Kauf genommen wird. Brügger & Thomet erklärt auf Anfrage der Zeitung, die Firma lehne jede Verantwortung für die Geschehnisse in Frankreich ab, weil die französische Polizei nicht die Originalmunition verwende: «Bei Nutzung von Munition von Drittherstellern kann die Präzision beeinträchtigt werden, und das Verletzungsrisiko steigt signifikant.»
Umstritten sind in Frankreich auch die Granaten des Typs GLI-F4. Diese enthalten zur Erzeugung eines abschreckenden Knalleffekts und zur Freigabe des Tränengases auch 25 Gramm Sprengstoff.
Über 100 ernsthafte Verletzungen
Wegen Zwischenfällen im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Demonstrationen sind bisher rund 200 Klagen gegen die Polizei eingereicht worden. Die Zeitung «Libération» spricht in einem Dossier zum Thema Polizeigewalt von über 100 ernsthaften und zum Teil nicht heilbaren Verletzungen.
Nach detaillierten, aber unüberprüfbaren Angaben der Website «Désarmons-les!» sollen bisher vier Personen bei der Explosion von Tränengasgranaten eine Hand verloren haben, 18 ein Auge, als sie von Hartgummigeschossen getroffen wurden. (noo)