Schock-Buch «Sodom» über den Vatikan
Schwule Kardinäle belästigen Schweizergardisten

Das Buch «Sodom» beschreibt den Alltag der Schweizergardisten im Kirchenstaat. Von der kleinen Aufmerksamkeit bis hin zu offener sexueller Belästigung oder gar Nötigung durch Würdenträger sei alles dabei.
Publiziert: 26.10.2019 um 21:05 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2020 um 19:37 Uhr
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Schweizergardisten bei der Vereidigung. Viele seien «enttäuscht, traumatisiert, desillusioniert», steht im Buch «Sodom» des Journalisten Frédéric Martel.
Foto: Keystone
Tobias Marti

Sie sind tapfer und treu bis in den Tod. Stramme, katholische Schweizer Burschen, die voller Stolz in der kleinsten und exklusivsten Armee der Welt dienen.

So weit die öffentliche Sicht auf die päpstliche Schweizergarde.

Neu hingegen ist, dass der Dienst im Vatikan manche dieser Männer zu Opfern gemacht hat, sie traumatisiert, enttäuscht, desillusioniert haben soll.

Eine der grössten homosexuellen Gemeinschaften der Welt

Der Mann, der das behauptet, heisst Frédéric Martel, ist Journalist und hat das Buch «Sodom» ­geschrieben, das im Vatikan für Schockwellen sorgt. Martel recherchierte jahrelang über Machtmissbrauch und Doppelmoral der Würdenträger. Fazit: Der Vatikan ist eine der grössten homosexuellen Gemeinschaften der Welt, eine Metropole schwuler Priester, Bischöfe und Kardinäle. Nun ist das Buch auf Deutsch erschienen, ein Kapitel ­behandelt die Schweizergarde.

Elf Gardisten hat der Autor bei insgesamt mehr als 30 Schweiz­reisen interviewt, in Zürich, Basel, Chur, St. Gallen, Luzern, Genf und Lausanne. Zwei von ihnen berichteten ihm – anonym, aber detailliert – über die Zustände rund um den Heiligen Stuhl.

Von Dutzenden Kirchenführern seien ihnen Avancen gemacht worden. Einer überlegte sich sogar, aus der Garde auszutreten: «Die rücken einem so zu Leibe, dass ich mir dachte, ich gehe auf der Stelle nach Hause. Vielen von uns geht die kaum verhohlene Anmache der Kardinäle und Bischöfe auf die ­Nerven.»

Schweizergardisten als Frischfleisch

Von der kleinen Aufmerksamkeit bis hin zu offener sexueller Belästigung oder gar Nötigung sei alles dabei. Ein Kollege etwa wurde ­regelmässig mitten in der Nacht von einem Kardinal angerufen. Der erklärte dann, er brauche ihn in ­seinem Schlafgemach.

Das Ausmass dieser Umtriebe habe die meisten der Interviewten Gardisten schockiert, schreibt Frédéric Martel. Einer der Gardisten erzählte ihm: «Ich habe lange gebraucht, bis mir klar war, dass wir im Vatikan umgeben sind von frustrierten Alten, die Schweizergardisten als Frischfleisch ansehen. Sie verpflichten uns zum Zölibat und lassen uns nicht heiraten, weil sie uns für sich behalten wollen, so einfach ist das.»

Gardisten seien zwar verpflichtet, ihren Vorgesetzten schwerwiegende Belästigungen zu rapportieren, aber fast immer würden die Fälle folgenlos ad acta gelegt.

Kommando der Schweizergarde ignoriert Fragen

Ein Oberstleutnant der Carabinieri in Rom sagt in Martels Buch: «Sexuelle Belästigung und Nötigung sind häufig. Aber das wird vertuscht, und immer wird der Schweizergardist selbst indirekt verantwortlich gemacht.»

Einen ausführlichen Fragenkatalog von SonntagsBlick beantwortete das Kommando der Schweizergarde nicht – und teilt lediglich mit, «dass die jungen Schweizer, die sich für den Dienst bei der Päpstlichen Schweizergarde interessieren, sich an militärischen und religiösen Werten orientieren.»

Das aber war nicht die Frage. Interessant wäre vielmehr, an welchen Werten sich die Würdenträger selber orientieren.

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