Wladimir Putin (67) hat es geschafft! Bei einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Abstimmung haben die Menschen in Russland die neue Verfassung für einen Machterhalt des Kremlchefs klar angenommen. Rund 78 Prozent der Berechtigten stimmten nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmzettel nach Angaben der Wahlkommission vom frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) für das neue Grundgesetz, mit dem Putin bis 2036 an der Macht bleiben könnte. 21,2 Prozent lehnten demnach die Verfassung ab. Erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht, als der Urnengang noch nicht in allen Teilen des Landes beendet war.
Die Wahlbeteiligung wurde mit rund 65 Prozent angegeben. Insgesamt waren im flächenmässig grössten Land der Erde mit elf Zeitzonen 110,5 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die letzten Wahllokale schlossen am Mittwochabend um 20.00 Uhr MESZ in der Ostseeexklave Kaliningrad.
Dieser Trend eines Sieges für den Kreml deckte sich mit Nachwahlbefragungen des staatlichen Wziom-Instituts, die bereits am Montag veröffentlicht worden waren. Unabhängige Meinungsforscher hatten dagegen keinen so deutlichen Sieg vorhergesagt. In der russischen Hauptstadt und in St. Petersburg kam es zu Protesten einzelner Putin-Gegner. Sie verliefen bis zum frühen Abend friedlich.
Keine Homo-Ehe in Russland
Die Verfassung beinhaltet viele soziale Versprechen wie etwa eine jährliche Rentenanpassung. Die Wähler stimmten über ein ganzes Paket von Änderungen ab, darunter etwa auch die Garantie, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau erlaubt bleibe. Putin hatte betont, dass es gleichgeschlechtliche Ehen nicht geben werde, solange er an der Macht ist. Nach der alten Verfassung von 1993 hätte er 2024 nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren dürfen. In einem eigenen Passus wurden nun aber seine bisherigen Amtszeiten seit 2000 annulliert.
«Heute legen wir die Zukunft Russlands fest. Ich habe für eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres Landes gestimmt, für die Erhaltung seiner Geschichte, Traditionen und Werte», sagte Regierungschef Michail Mischustin (54). Er hatte wie Putin bis zum letzten Tag der auf sieben Tage angelegten Abstimmung gewartet, um seine Stimme abzugeben. Weder Putin noch er trugen – wie eigentlich vorgeschrieben in Moskau – Mund- und Nasenschutz gegen das Coronavirus. Wahlleiterin Ella Pamfilowa kritisierte aber nur Mischustin, obwohl er selbst schon von dem Virus genesen ist.
Wahlbetrug?
Das Innenministerium berichtete der Agentur Interfax zufolge von mehr als 800 Zwischenfällen bei der Abstimmung. Es gebe aber keine Verstösse, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos sprachen von Hunderten Verstössen. Die Menschen seien zur Stimmabgabe gedrängt und das Wahlgeheimnis sei oft nicht gewahrt worden, hiess es. Zudem sollen viele Menschen mehrfach abgestimmt haben. Kremlkritiker Alexej Nawalny (44) meinte, es sei ungeheuerlich, dass die Wahlkommission während der laufenden Abstimmung bereits erste Ergebnisse veröffentliche. «Sie wollen damit absichtlich zeigen, dass sie auf das Gesetz spucken», twitterte der Oppositionelle. «Ihr Platz ist auf der Anklagebank.»
Kritik kam auch aus Deutschland. «Diese Verfassungsänderung ist nicht nur ein Abgesang auf die letzten Reste der Demokratie in Russland», sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen (30). Das Grundgesetz des Autokraten Putin sei auch «eine ganz reale Bedrohung und ein rabenschwarzer Tag für Menschenrechtsaktivisten, Oppositionelle und diskriminierte Minderheiten», meinte die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe weiter.
Die Abstimmung hatte am vergangenen Donnerstag begonnen. Sie war auf mehrere Tage angesetzt, damit wegen der Corona-Pandemie genügend Zeit für die Menschen blieb, ihre Stimmabgabe zu organisieren. Die Menschen in Moskau und Nischni Nowgorod durften auch im Internet abstimmen. Zudem kamen Mitarbeiter der Wahlkommission zu den Menschen nach Hause. Als Anreiz, zur Abstimmung zu kommen, gab es Gewinnspiele. Ursprünglich war die Abstimmung für den 22. April angesetzt gewesen. Sie wurde wegen der Pandemie verschoben. (SDA)