Vier Tage bevor er das Blutbad von Hanau (D) anrichtet, richtet Tobias R. (†43) die Kamera auf sich: Er nimmt ein Video auf, trägt ein weisses Hemd, ein blaues Jackett. Er sieht aus wie ein ganz normaler Bürger. Äusserlich ist er das: Laut seinen Angaben ein gelernter Bankkaufmann mit BWL-Studium. Doch was in seinem Kopf vor sich geht, ist erschreckend.
Er spricht in einwandfreiem Englisch «alle Amerikaner» direkt an. «Wacht auf!», sagt er mit dramatischem Unterton. «Euer Land ist unter der Kontrolle von unsichtbaren geheimen Gesellschaften. Sie benutzen böse Methoden wie Gedankenkontrolle.» In diesem wirren, paranoiden Stil geht es weiter. Diese Organisationen würden ihm per Traum Botschaften übermitteln, wie er in diversen Schriften auf seiner mittlerweile abgeschalteten Homepage veröffentlichte. Er schreibt: «Ich (...) fing an direkt in meiner Studentenwohnung mit den unsichtbaren Menschen zu sprechen.»
«Dann gibt es Krieg»
Tobias R. veröffentlichte auf seiner Homepage diverse Schreiben, in denen er sich davon überzeugt zeigt, dass er überwacht wird. Das habe unter anderem dazu geführt, dass er keine Beziehung eingegangen sein. «Eine Hauptkonsequenz ist beispielsweise, dass ich ein Leben lang keine Frau oder Freundin hatte, die letzten 18 Jahre ausschliesslich deshalb nicht, da ich mir eben keine Frau nehme, wenn ich weiss, dass ich überwacht werde.»
Das Volk werde ebenfalls überwacht. Als er Anzeige erstattete, habe die Polizei die eigene Strafverfolgung verhindert. «Als ich nur wenige Jahre alt war, schwor ich mir, wenn ich damit richtig liege, dass ich überwacht werde, dann gibt es Krieg! Aus all den genannten Gründen blieb mir also nichts anderes übrig, so zu handeln, wie ich es getan habe, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erlangen.»
Täter fühlte sich überwacht
Es ist die versteckte Ankündigung auf das Blutbad, das er in der Nacht auf Donnerstag anrichtete. Tobias R., besass laut «Bild» einen Jagdschein. Der deutlichste Hinweis auf seine rechtsextreme Gesinnung: «Dieser Krieg ist als Doppelschlag zu verstehen, gegen die Geheimorganisation und gegen die Degeneration unseres Volkes!»
Tobias R. irrlichtert in seinen Schriften über die Existenz gewisser Völker, was ein «grundsätzlicher Fehler» sei. Und er listet diejenigen auf, die «komplett vernichtet» werden müssten. Scheinbar wahllos zählt er Dutzende auf: Von Marokko über Syrien bis hin zu Vietnam oder Laos. «Und dies wäre erst die Grob-Säuberung.» Danach müsse die «Fein-Säuberung» kommen. In diesem Stil geht es weiter, seitenlang.
Auch Stephan D.*, der Attentäter von Halle (D), der im Oktober zwei Menschen tötete, veröffentlichte ein Bekennerschreiben. Er scheiterte aber vor allem an sich selbst. Er sah sich selbst als Versager, registrierte sein Unvermögen noch während der Tat. (neo)
* Name bekannt