«Vielleicht muss ich in Peking hinter Gitter»
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Protestführer Joshua Wong:«Vielleicht muss ich in Peking hinter Gitter»

Protestführer Joshua Wong fordert Sanktionen gegen China
«Vielleicht muss ich in Peking hinter Gitter»

Nach dem Lockdown flammen die Demonstrationen in Hongkong wieder auf. Im Interview spricht Protestführer Joshua Wong über Chinas Sicherheitsgesetz, Hongkongs Zukunft – und was er von US-Präsident Donald Trump erwartet.
Publiziert: 31.05.2020 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2020 um 07:44 Uhr
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Protestführer Joshua Wong: «Wir müssen für Hongkong kämpfen!»
Foto: AFP
Interview: Fabienne Kinzelmann

Joshua Wong (23) hat keine Zeit zu verlieren. Das bekannteste Gesicht der Demokratiebewegung in Hongkong kann nur 15 Minuten für SonntagsBlick erübrigen. Denn in der vergangenen Woche flammten die Anti-China-Proteste wieder auf, welche die Sonderverwaltungszone bereits seit einem Jahr in Atem halten.

Aktueller Auslöser: Pekings neues «Sicherheitsgesetz» für Hongkong, das ausländische Einmischung, Terrorismus und «aufrührerische Aktivitäten» gegen die chinesische Führung verbietet. Wong, dessen Demokratiebewegung durch das Gesetz verstärkt ins Fadenkreuz gerät, sitzt in der Zentrale seiner Oppositionspartei Demosisto. Seine Mimik verrät, wie ernst es ihm ist.

SonntagsBlick: Während des Lockdowns verschwand Ihr Protest von der Strasse. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Wong: Wir haben Onlineproteste und virtuelle Versammlungen organisiert, um das Momentum nicht zu verlieren – und vorbereitet, wie wir den Kampf nach dem Lockdown weiterführen.

Videos und Fotos aus der vergangenen Woche zeigen Chaos in Hongkong: Was ist da passiert?
Die Menschen sind gegen das angekündigte nationale Sicherheitsgesetz auf die Strasse gegangen. Die Polizei hat sofort Pfeffermunition und Tränengas eingesetzt, um uns zu stoppen. Das macht uns aber nur umso entschlossener. Vor allem im Hinblick auf den Jahrestag des Tian’anmen-Massakers nächste Woche.

Die gewaltsame Niederschlagung der Studentenproteste vor 31 Jahren in Peking, bei der rund 2600 Menschen ihr Leben verloren.
Ja. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mehr Menschen auf die Strasse zu bekommen. Und um zu zeigen, was Hongkong widerfahren könnte. Wir rechnen mit 100’000 Menschen.

Der chinesische Volkskongress hat das neue Sicherheitsgesetz für Hongkong am Donnerstag bereits verabschiedet. War Ihr Protest umsonst?
Wir sind noch nicht sicher, wann das Gesetz in Kraft tritt. Deswegen brauchen wir jetzt die Aufmerksamkeit der Welt und der lokalen Gemeinschaft. Sie alle müssen Druck auf Peking ausüben und sie dazu bringen, das Gesetz zu stoppen.

Das Gesetz verbietet ausländische Einmischung, Terrorismus und alle «aufrührerischen Aktivitäten», die sich gegen die chinesische Führung richten. Trauen Sie sich noch auf die Strasse, wenn das Gesetz in Kraft tritt?
Wir werden nie kapitulieren. Also geht auch unser Strassenprotest weiter.

Die Regierung in Hongkong betrachtet Sie als Extremisten. Würden Sie Gewalt anwenden, um Ihre Ziele zu erreichen?
Wir sehen eine Eskalationsspirale. Das zwingt junge Aktivisten möglicherweise zur Gegenwehr und die entsprechende Ausrüstung. Der einzige Weg aus dieser Spirale ist: Peking muss auf die Bevölkerung von Hongkong und die internationale Kritik hören.

Haben Sie Angst vor Peking?
Wir könnten unter Druck geraten. Aber das ist auch der Grund für uns, uns weiter zu wehren. Wir müssen für Hongkong kämpfen, wenn Peking den Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» zerstört. Unsere Meinungsfreiheit ist akut bedroht. Da werden wir nicht kapitulieren.

Junger alter Aktivist

Der Politikwissenschaftsstudent Joshua Wong (23) ist jung, doch was Protest angeht schon ein alter Hase: Bereits als Teenager war er 2014 einer der Anführer der «Regenschirm-Revolution» in Hongkong. Zwei Jahre später entstand daraus die prodemokratische Partei Demosisto, deren Generalsekretär Wong ist.

Der Politikwissenschaftsstudent Joshua Wong (23) ist jung, doch was Protest angeht schon ein alter Hase: Bereits als Teenager war er 2014 einer der Anführer der «Regenschirm-Revolution» in Hongkong. Zwei Jahre später entstand daraus die prodemokratische Partei Demosisto, deren Generalsekretär Wong ist.

Sie sind schon acht Mal festgenommen worden, drei Mal waren Sie bereits im Gefängnis. Wie weit geht Ihre persönliche Risikobereitschaft?
Vielleicht muss ich das nächste Mal in Peking hinter Gitter. Das wäre der Worst Case. Aber dagegen werden wir uns wehren – indem wir jetzt Hongkong beschützen.

Was erwarten Sie vom Westen?
Dass mehr Aussenminister für Hongkong einstehen. Sobald die Meinungsfreiheit in Hongkong eingeschränkt ist, wird das nicht nur politische Führer betreffen, sondern auch Unternehmer. Der freie Kapital- und Informationsfluss würde durch das nationale Sicherheitsgesetz überwacht und unterdrückt. Das würde den Status Hongkongs als globales Finanzzentrum untergraben. Jetzt ist der entscheidende Moment, um das zu verhindern.

Haben Sie sich in den vergangenen Monaten vom US-Präsidenten unterstützt gefühlt?
Taten sprechen lauter als Worte. Wir fordern Präsident Trump daher dringend auf, die Menschenrechts- und Demokratieverordnung umzusetzen, wonach die US-Regierung Sanktionen gegen chinesische und Beamte aus Hongkong verhängen muss, die für Menschenrechtsverletzungen in der Sonderverwaltungszone verantwortlich sind.

Auf wen hoffen Sie nach den US-Wahlen: Trump oder Biden?
Zuallererst zählen wir auf unsere Mitbürger. Und ich hoffe sehr, dass sich mehr Führer aus Politik und Wirtschaft für Hongkong einsetzen und Druck auf Peking machen. Wir hoffen auf volle parteiübergreifende Unterstützung, denn es geht nicht um links oder rechts: Es geht um richtig oder falsch.

Und was erwarten Sie von Brüssel?
Die EU-Aussenminister sollten sich dem Gesetz widersetzen und verhindern, dass China sein autoritäres Modell im Ausland weiter aggressiv ausbaut. Wirtschaftssanktionen würden Peking am meisten treffen. Besonders gegen Technologie- und Tech-Firmen, die China nahestehen.

Druck auf Peking wächst

Trump macht als Erster vorwärts. Während die EU das von China vorangetriebene Sicherheitsgesetz für Hongkong zwar verurteilt, aber keine Sanktionen erwägt, greift der US-Präsident durch: Trump will die Sonderbehandlung für die Sonderverwaltungszone streichen. Die Extrawurst gilt bislang unter anderem für Exportkontrollen, Zölle und Reisehinweise. «Hongkong ist nicht mehr ausreichend autonom, um eine spezielle Behandlung zu verdienen», sagte Trump.

Auch die Briten ziehen Konsequenzen aus Chinas zunehmender Einmischung in Hongkong. Tritt das Gesetz in Kraft, will London Optionen prüfen, um Bürgern der Ex-Kolonie einen Weg zur britischen Staatsbürgerschaft zu eröffnen.

Auf beide Ankündigungen reagierte die kommunistische Führung ungehalten. Trotz der zögerlichen EU-Haltung wächst der Druck auf Peking – auch in der Corona-Krise. Während der natürliche Ursprung des Virus als sicher gilt, ist noch ungeklärt, ob es nicht doch aus einem Labor entwichen ist. Um international Vertrauen aufzubauen, müsste China eine unabhängige Untersuchung zulassen.

Trump macht als Erster vorwärts. Während die EU das von China vorangetriebene Sicherheitsgesetz für Hongkong zwar verurteilt, aber keine Sanktionen erwägt, greift der US-Präsident durch: Trump will die Sonderbehandlung für die Sonderverwaltungszone streichen. Die Extrawurst gilt bislang unter anderem für Exportkontrollen, Zölle und Reisehinweise. «Hongkong ist nicht mehr ausreichend autonom, um eine spezielle Behandlung zu verdienen», sagte Trump.

Auch die Briten ziehen Konsequenzen aus Chinas zunehmender Einmischung in Hongkong. Tritt das Gesetz in Kraft, will London Optionen prüfen, um Bürgern der Ex-Kolonie einen Weg zur britischen Staatsbürgerschaft zu eröffnen.

Auf beide Ankündigungen reagierte die kommunistische Führung ungehalten. Trotz der zögerlichen EU-Haltung wächst der Druck auf Peking – auch in der Corona-Krise. Während der natürliche Ursprung des Virus als sicher gilt, ist noch ungeklärt, ob es nicht doch aus einem Labor entwichen ist. Um international Vertrauen aufzubauen, müsste China eine unabhängige Untersuchung zulassen.

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