Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika (81) wird in Genf behandelt, während seine Landsleute seit einer Woche gegen eine «fünfte Amtszeit der Schande» demonstrieren. Offiziell befindet er sich nur kurz in der Schweiz, um «seine regelmässigen medizinischen Kontrollen durchzuführen». Das macht er schon seit sechs Jahren.
Doch Bouteflikas Regierungsmaschine landete bereits am Sonntagabend um 20.14 Uhr am Genfer Flughafen. Verlassen hat sie die Schweiz jedoch seither noch nicht. Wie mehrere Schweizer Medien berichten, lässt sich Bouteflika in der Privatabteilung des Universitätsspitals Genf (HUG) behandeln.
Seit fast 20 Jahren steht Bouteflika an der Spitze des nordafrikanischen Staates, doch das algerische Staatsoberhaupt ist gesundheitlich stark angeschlagen. Nach einem Schlaganfall vor sechs Jahren hat er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Polizei setzte Tränengas ein
Dass der greise Bouteflika trotz seiner praktischen Regierungsunfähigkeit ein fünftes Mal für das Präsidentenamt kandidieren will, treibt die Algerier seit Tagen auf die Strasse.
In Algeriens Hauptstadt Algier haben am Freitag tausende Menschen, unter ihnen viele Studenten, gegen die erneute Kandidatur von Bouteflika demonstriert. Die Polizei setzte an mehreren Stellen der Stadt Tränengas ein, um die Demonstranten auseinanderzutreiben.
Am Platz der Märtyrer in der Innenstadt blockierten Sondereinsatzkräfte den Demonstrationszug, auch an anderen Orten der Stadt stellten sich Sicherheitskräfte den Demonstranten in den Weg, wie AFP-Reporter berichteten. Die Protestteilnehmer schwenkten algerische Flaggen und riefen Slogans wie «Mörderregime».
Staatliche Sender schweigen über die Proteste
Ein algerischer Journalist und eine Fotografin, die über die Demonstrationen berichteten, wurden kurzzeitig festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuss gesetzt. Eine AFP-Reporterin wurde von der Polizei aufgefordert, sich aus «Sicherheitsgründen» vom Ort der Kundgebung zu entfernen.
Ministerpräsident Ahmed Ouyahia warnte am Donnerstag vor dem Parlament indirekt vor einem Bürgerkrieg in Algerien. «Glückliche Demonstranten haben Polizisten Rosen geschenkt», sagte er. «Aber erinnern wir uns gemeinsam daran, dass es in Syrien auch mit Rosen angefangen hat.»
Die Proteste gegen Bouteflikas erneute Kandidatur wurden in den staatlichen algerischen Radio- und Fernsehsendern ebenso verschwiegen wie in den Privatsendern, die dem Regierungslager nahestehenden Unternehmern gehören. Journalisten des Staatsradios schilderten, dass sie von ihren Vorgesetzten angewiesen worden seien, nicht über die Protestbewegung zu berichten. (kin/SDA)