Angela Merkel hat wohl mit vielem gerechnet, aber nicht mit einem mehr als 10-minütigen Applaus. Frenetisch klatschen die 1001 Delegierten auf dem CDU-Parteitag in Hamburg, als ihre Parteivorsitzende mit den Worten «Es war mir eine grosse Freude, es war mir eine Ehre!» ihre Abschiedsrede beendet.
Nach 18 Jahren gibt die CDU-Chefin den Vorsitz ab. Manch Delegierter ist wehmütig. «Danke, Chefin», ist auf Schildern zu lesen. Ein Delegierter aus Brandenburg weint. Auch die Kanzlerin auf der Bühne kämpft vor Rührung über die Sympathiewelle mit den Tränen.
Aufruf zur Geschlossenheit
Zuvor hatte Angela Merkel in ihrer 30-minütigen Abschiedsrede als CDU-Parteivorsitzende ihre Partei an ihre Grundsätze erinnert: «Wir Christdemokraten grenzen uns ab – aber niemals grenzen wir aus.» Christdemokraten machten keinen Unterschied bei der Würde des Menschen und sie machten auch niemals Menschen nieder. Ein offenkundiger Appell an die Partei, sich klar nach rechts abzugrenzen und die ethischen Leitlinien ihrer Politik nicht aus den Augen zu verlieren.
Zudem rief Angela Merkel ihre Partei zur Geschlossenheit auf. Sie wünsche sich, dass die CDU aus dem Parteitag in Hamburg «gut gerüstet, motiviert und geschlossen» herausgehe, sagte Merkel. Sie sei zuversichtlich, dass dies gelinge. «Wir spüren alle, das ist ein ganz besonderer Parteitag», sagte Merkel am Freitag in Hamburg vor den rund 1000 Delegierten.
Der Parteitag werde «heute und morgen Weichen stellen»: zum einen personell mit der Wahl einer neuen Parteiführung, fügte Merkel hinzu, die nach mehr als 18 Jahren den Vorsitz abgibt. Zum anderen inhaltlich und programmatisch mit der Beratung vieler Anträge.
Standing Ovation für Merkel
Beide Weichenstellungen hätten ein Ziel, sagte Merkel: «Gemeinsam wollen wir, dass unsere CDU als die starke Volkspartei der Mitte ihrem Gestaltungsauftrag gerecht wird» und «das richtige Angebot für die Zukunft unseres Landes macht». Zuvor war Merkel mit viel Applaus begrüsst worden. Die rund eintausend Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen, als Merkel den Parteitag eröffnete.
Bislang bewerben sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn um die Nachfolge von Merkel an der Parteispitze. Weitere Bewerber für das Amt des CDU-Parteivorsitzenden können noch bis 12.30 Uhr ins Rennen gehen. Diese Meldefrist beschloss der Parteitag zum Auftakt. Im Anschluss stellen sich die möglichen Nachfolger den Delegierten vor.
«Demokratie pur»
Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Gelingt dies keinem der Bewerber in der ersten Runde, kommt es zu einer Stichwahl der beiden Bestplatzierten.
Erstmals seit 1971 entscheiden die CDU-Delegierten bei der Wahl ihres Vorsitzenden zwischen mehreren Kandidaten. Die Noch-Parteichefin begrüsste den Wettbewerb: «Das ist Demokratie pur, wenn Auswahl besteht», sagte Merkel bei einem Hallenrundgang am Donnerstag. Merkel wird zwar den CDU-Vorsitz abgeben, aber weiter Kanzlerin in Deutschland bleiben. (SDA/kin)