Nur zwei Tage nach der Wahl von Erdogan
EU wendet sich von der Türkei ab

Zwei Tage nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben die EU-Staaten beschlossen, mit dem Land keine Verhandlungen über den Ausbau der Zollunion aufzunehmen. Die Türkei strebte in der Vergangenheit konsequent einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit der EU an. Jetzt folgte der Nackenschlag.
Publiziert: 27.06.2018 um 02:13 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:50 Uhr
Türkeis neuer und alter Präsident Recep Tayyip Erdogan verfolgt einen Ausbau der Wirtschafsbeziehungen mit der EU. Das Problem: Die EU-Staaten wenden sich nach seiner Wiederwahl von der Türkei ab.

Am Sonntagabend wurde Recep Tayyip Erdogan erneut zum türkischen Präsidenten gewählt. Das scheint der Europäischen Union nicht zu passen. Die EU-Staaten haben am Dienstagabend beschlossen, mit der Türkei vorerst keine Verhandlungen über den Ausbau der Zollunion aufzunehmen.

Die Türkei habe sich zuletzt weiter von der Europäischen Union wegbewegt, hiess es in einer am Dienstagabend bei einem Ministertreffen in Luxemburg verabschiedeten offiziellen Erklärung. Vor allem die anhaltenden Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit seien zutiefst besorgniserregend. Das Vorgehen gegen Journalisten, Akademiker, Menschenrechtler, Oppositionspolitiker und Nutzer sozialer Medien könne nicht geduldet werden.

Wahlbeobachter monieren Chancengleichheit

Erdogan hatte am Sonntag die Präsidentenwahlen nach inoffiziellen Ergebnissen mit 52,59 Prozent der Stimmen gewonnen (BLICK berichtete). In den Parlamentswahlen, die gleichzeitig stattfanden, wurde die Allianz von Erdogans AKP und der ultranationalistischen MHP stärkste Kraft. Internationale Wahlbeobachter kritisierten, die Kandidaten hätten bei den Wahlen nicht dieselben Chancen gehabt.

Forderungen Österreichs nach einer offiziellen Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen fanden trotz der aktuellen Situation keine Mehrheit. In der Erklärung vom Dienstagabend wird deswegen nur noch einmal deutlich gemacht, dass nur nach grundlegenden Änderungen Fortschritte erzielt werden können. Die Verhandlungen seien praktisch zum Stillstand gekommen, heisst es.

Flüchtlingskrise bringt EU in Bredouille

Als ein Grund für das Festhalten am EU-Kandidatenstatus der Türkei gilt die Migrationskrise. Der Entzug des Status könnte aus Sicht vieler Staaten den Flüchtlingspakt mit dem Land gefährden. Er gilt als ein Grund dafür, dass derzeit deutlich weniger Migranten nach Europa kommen als noch 2015.

Der Pakt sieht vor, dass die EU alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug nehmen EU-Staaten der Türkei schutzbedürftige Flüchtlinge aus Syrien ab und finanzieren Hilfen für in der Türkei lebende Flüchtlinge. Das Land hat bisher insgesamt knapp 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

Erdogan wollte die Wirtschaftsbeziehungen zur EU unbedingt ausbauen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte jedoch bereits im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass sie in der derzeitigen Lage kein Mandat für Verhandlungen über den Ausbau der Zollunion erteilen wolle. Eine offizielle gemeinsame Positionierung der EU-Staaten gab es dazu aber bisher nicht.

Wie die Türkei auf die EU-Erklärung und das offizielle Nein zu Gesprächen über die lange geplante Vertiefung der seit 1995 existierenden Zollunion reagieren wird, war zunächst unklar. Der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen der EU war bisher immer eines der Kernanliegen der Regierung in Ankara gewesen. (SDA/nim)

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