Zwei Menschen werden in der süditalienischen Stadt Neapel verehrt wie Heilige: Fussball-Ikone Diego Maradona (58), dank dem der Fussballklub SSC Neapel in den 80ern die grössten Erfolge feiern konnte, und Sänger und Schauspieler Nino D'Angelo (61) – nicht zu verwechseln mit dem deutschen Schlagerbarden Nino De Angelo (55).
Am 30. März gibt D'Angelo im Musical-Theater in Basel ein Konzert. BLICK hat ihn vor seinem Auftritt im Volkshaus in Zürich getroffen und mit ihm über die Lage in seinem Land gesprochen. In Italien ist der Barde bekannt als Gegner der rechtspopulistischen Lega und hat mit seiner Kritik wiederholt den Ärger von Innenminister Matteo Salvini (45) auf sich gezogen.
Nino D'Angelo, in Neapel haben Sie den Status einer lebenden Legende, und Sie besingen in vielen Liedern die Schönheit «Ihrer» Stadt. Tatsächlich wohnen Sie aber in Rom. Warum?
Nino D'Angelo: In den 80er-Jahren wurde die Wohnung meiner Familie in Neapel beschossen. Noch heute weiss ich nicht, wer das war und warum sie das getan haben. Aber ich bin dann mit meiner Frau und meinen zwei Kindern nach Rom gezogen. Ich habe aber immer noch ein Haus in der Stadt und wohne dort unter der Woche.
Sie sind ein prominenter Mafia-Kritiker. Wieso können Sie sich heute aber, anders als andere Mafia-Kritiker, in Neapel noch ohne Polizeischutz fortbewegen?
Ich weiss es nicht – tatsächlich machen mir die Clans aber keine Probleme. Und ich leite mit dem Trianon Viviani ja sogar noch ein Theater im berüchtigten Forcella-Quartier. Ich glaube aber, dass in Bezug auf die Camorra im Ausland vieles übertrieben wird.
Jetzt sagen Sie bloss nicht, dass es die Mafia dort gar nicht geben soll.
Natürlich gibt es die Mafia – und ja, sie ist in Neapel vielleicht präsenter als in anderen Städten. Aber ich wehre mich gegen dieses Bild, dass Neapolitaner oder generell die Süditaliener kriminell sind und darum die Camorra ein leichtes Spiel hat. Tatsächlich ist vieles besser geworden, so jedenfalls sehe ich das. Die Menschen in den Quartieren beginnen sich zu wehren, schweigen nicht mehr, sondern stehen auf. Ein Mafioso wird in Neapel gesellschaftlich geächtet, nicht geachtet.
Sie haben im Februar zum sechsten Mal am Schlagerfestival San Remo teilgenommen. Bei jeder Teilnahme haben Sie die gleiche Mission: Dem Süden Italiens eine Stimme geben. Warum braucht Süditalien eine Stimme?
Für den italienischen Staat hat es immer schon zwei Italien gegeben: den reichen Norden und den sogenannten Problemfall, den armen Süden. Süditaliener kämpfen von Geburt an gegen Vorurteile aus dem Norden. Sie gelten als faul, schlitzohrig und als potenziell kriminell. Sie sehen: Das rassistische Italien gibt es nicht erst, seit Matteo Salvini in der Regierung sitzt. Davon kann Ihnen jeder Süditaliener, egal welcher Generation, ein Lied singen.
Nino D'Angelo ist 1957 in Neapel geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Karriere startete er wie so viele Strassenkinder in Neapel als «Hochzeitssänger» – nicht selten engagiert von lokalen Mafia-Paten. In den 80er-Jahren erreichte er in ganz Italien Bekanntheit als Schauspieler in zahllosen Komödien und als Interpret leichter Liebeslieder. Sein Markenzeichen damals: eine blonde Föhnfrisur – «il cascchetto d'oro». In den 90er-Jahren erfand sich D'Angelo neu, seine Musik wurde aufwendiger arrangiert und die Texte gesellschaftskritischer. Er arbeitete mit dem «fünften Beatle» Billy Preston und dem Kult-Regisseur Abel Ferrara zusammen. Zudem ist er künstlerischer Leiter des Volkstheaters Trianon in Neapels Problemquartier Forcella.
Nino D'Angelo ist 1957 in Neapel geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Karriere startete er wie so viele Strassenkinder in Neapel als «Hochzeitssänger» – nicht selten engagiert von lokalen Mafia-Paten. In den 80er-Jahren erreichte er in ganz Italien Bekanntheit als Schauspieler in zahllosen Komödien und als Interpret leichter Liebeslieder. Sein Markenzeichen damals: eine blonde Föhnfrisur – «il cascchetto d'oro». In den 90er-Jahren erfand sich D'Angelo neu, seine Musik wurde aufwendiger arrangiert und die Texte gesellschaftskritischer. Er arbeitete mit dem «fünften Beatle» Billy Preston und dem Kult-Regisseur Abel Ferrara zusammen. Zudem ist er künstlerischer Leiter des Volkstheaters Trianon in Neapels Problemquartier Forcella.
Neapel ist als typische Hafenstadt ein Schmelztiegel der Kulturen – oder das Resultat einer Entwicklung, vor der sich Rechtspopulisten in ganz Europa so sehr fürchten. Die würden die Stadt auch als einen «überfremdeten Moloch» beschreiben.
Ach was! Neapel ist gerade dank der bunten Durchmischung moderner als viele andere Städte in Europa. Hier leben seit jeher verschiedene Kulturen Haus an Haus, teilen sich die engen Gassen, die pittoresken Häuser und das gleiche Meer. Neapel ist auch ein Beispiel dafür, dass eine offene Kultur, die also das Fremde aufnimmt, nur profitieren kann. Man hört das an unseren Liedern, man riecht das in unserem Essen, und man sieht es den Menschen eben auch an. Für mich klingt das nicht nach Moloch.
Bei uns macht die Stadt indes Schlagzeilen wegen der hohen Arbeitslosigkeit, der Mafiakriege und des Abfalls auf den Strassen. Reden wir wirklich vom selben Neapel?
Natürlich hat Neapel Probleme, aber doch nicht wegen der sogenannten «Fremden»! Der kaputte Staat ist Italiens Problem und am Ende auch der Grund, warum die Mafia in Neapel überleben kann. Wer nicht fähig ist, grundlegende Dinge wie die Infrastruktur instand zu halten oder Gesetze durchzusetzen, kann auch nicht die Immigration mitsamt den damit verbundenen Herausforderungen organisieren.
Italiens Innenminister Matteo Salvini sieht das offenbar anders. Was halten Sie vom Applaus, den er bekommt, weil er rabiat gegen Einwanderer vorgeht?
Der Rassismus ist die grosse Sünde unserer Zeit. Und ich bin überzeugt, dass die Italiener, die heute Populisten wie Salvini auf den Leim kriechen, irgendwann aufwachen werden. Gerade wir Süditaliener sollten nicht vergessen, dass wir von diesem Mann nichts erwarten dürfen. Seine Partei machte Stimmen, indem sie den Süden Italiens verhöhnt hat. Es gibt Videos von Salvini, in welchen er Hasslieder gegen den Süden grölt. Intelligente Menschen können eine solche Figur nicht wählen.