Maggie Haberman (45) sitzt im Grossraumbüro, als ihr Handy klingelt und Donald Trump (72) dran ist. «Mister President, wie geht es Ihnen?», begrüsst sie ihn. Sie plaudern kurz wie alte Bekannte, dann legt Haberman auf. Der nächste Artikel muss fertig werden.
Die Szene stammt aus dem Film «Mission Wahrheit» (OT: «The Fourth Estate»). Die vierteilige Dokuserie der amerikanischen Filmproduzentin Liz Garbus (48) begleitet die Arbeit der «New York Times» (NYT) im ersten Jahr von Trumps Amtszeit – und Maggie Haberman ist ihr heimlicher Star.
Habermans Handy ist nur für Updates aus
Mehr als 100 Journalisten und Reporter arbeiten bei der «Times». Haberman ist die meistgelesene seit Trumps Amtsbeginn. Unter den aufmerksamkeitsträchtigsten Geschichten steht ihr Name. Dass Trump abends allein im Bademantel vor dem Fernseher sitzt? Darüber schrieb Haberman mit ihrem Kollegen Glenn Trush (51). Dass der US-Präsident seinen Chefstrategen Steve Bannon (65) gefeuert hat? Das berichtete Haberman als Erste. Und wen rief Trump bei der «Times» an, um nach dem Scheitern der Obamacare-Abschaffung auf die Demokraten zu schimpfen? Haberman.
«Sie hat drei Kinder. Und Donald Trump.» schreibt der «Spiegel» über Haberman. Sie steht mit dem Präsidenten auf und geht erst ins Bett, wenn sie ihre Story hat. Über Trump heisst es, er komme mit vier Stunden Schlaf aus. Sie sagt: «Ich habe seit Jahren nicht durchgeschlafen.»
Dass Haberman Journalistin wurde: ein Unfall, sagt sie. Sie mag den Stress, den Druck, ist hungrig nach Storys. Nach ihrem Studium in Kreativem Schreiben und Psychologie geht sie zu einer Boulevardzeitung. Bei der «New York Post» fällt ihr Reportertalent sofort auf: schnell gute Zitate bekommen, etwas auf den Punkt bringen. Ab 1999 berichtete sie über die Stadtpolitik. New Yorks Bürgermeister ist zu diesem Zeitpunkt der Trump-Freund Rudy Giuliani – und Immobilienmogul Trump mit seinen Hochzeiten und Scheidungen selbst regelmässig auf den Klatschseiten.
Glenn Trush, mittlerweile ihr wichtigster Co-Autor, erinnert sich an Haberman als eine Getriebene, die unbedingt die Beste, Schnellste sein wollte. Der «Elle» erzählt er, dass er sie anfangs nicht mochte: «Sie stand vor einem Pressebus, hielt eine Zigarette in der Hand und zündete sich eine zweite an, weil sie die erste völlig vergessen hat. Und sie benutzte zwei Handys. Ich dachte: Das ist kompletter Schwachsinn, sie kann nicht real sein, niemand ist so.» Haberman, die Getriebene, twittert, schreibt E-Mails, chattet pausenlos. Mit 50 Menschen hat sie am Tag Kontakt, sagt sie. Es sind eher 100, schätzen ihre Kollegen. Habermans Handy ist höchstens für ein Update aus.
Trump über Hillary: «Sie wird eine hervorragende Kandidatin sein»
Ein gutes Jahrzehnt arbeitet Haberman für die «Post» und die «New York Daily News». 2006 zitiert sie Trump zum ersten Mal. Er, noch registrierter Demokrat, lobt Hillary Clinton, die damals zum ersten Mal als Präsidentin kandidieren wollte: «Sie ist eine brillante Frau und sie wird eine hervorragende Kandidatin sein.» Auch wenn sie nicht ständig über Trump schreibt: In diesen Jahren bildet Haberman ihr Netzwerk und bekommt das Wissen über den künftigen US-Präsidenten, das sie bei der Präsidentschaftswahl 2016 möglicherweise zur «Reporterin mit den besten Quellen» («Elle») macht. Sie lernt, was ihn ärgert, welche Sendungen er schaut – und dass er nur in seinem eigenen Bett gut schlafen kann. Wollen ihre Kollegen verstehen, wie der Präsident denkt, fragen sie Haberman.
Beim Onlinemagazin «Politico» schreibt Haberman ab 2010 regelmässig über Trump, der vor den Präsidentschaftswahlen 2012 darüber nachdenkt, für die Republikaner zu kandidieren. Drei Jahre später geht Haberman zur «Times». Trump erzählt ihr von seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen, diesmal will er wirklich. Haberman ist skeptisch, nachdem sich seine Ankündigung bei der vorherigen Wahl als Rauchbombe entpuppte. Also versucht Trump, Haberman seine Story zu verkaufen: 10, 15, 20 Millionen Dollar will er in seine Kampagne stecken. Immer höher geht er mit den Zahlen. «Er war frustriert, weil ich ihm nicht glaubte.»
«Ich weiss nicht, wie ich aufhören soll»
Als Trump seine Kandidatur offiziell verkündet, räumt ihm niemand Chancen ein. Auch Haberman nicht, die über seine Kampagne berichtet. «Ich dachte, nach den Präsidentschaftswahlen ist alles vorbei», erzählt sie in «Mission Wahrheit». Doch nach dem 8. November 2016, als Trump die Wahl gewinnt, geht der Stress für Haberman erst richtig los. Seither pendelt sie mehrmals wöchentlich von Brooklyn, wo sie mit ihrer Familie lebt, nach Washington D.C. Im Dokufilm sieht der Zuschauer sie ständig im Auto.
Haberman ist in New York aufgewachsen, in Washington fühlt sie sich nur bedingt wohl. Viereinhalb Stunden braucht sie auf der schnellsten Route zum Weissen Haus, 55 Minuten mit dem Flugzeug zwischen den Städten. «Ich bin sehr müde», sagt Haberman. Sie sitzt auf der Rückbank eines dunklen Wagens, balanciert den Laptop auf ihrem Schoss, in der Hand das Handy. «Aber gleichzeitig weiss ich auch nicht, wie ich jetzt aufhören soll.»
Habermans Ansatz als Reporterin ist: Über die Vorgänge im Weissen Haus möglichst akkurat und neutral zu berichten. Bei Kollegen und Lesern macht sie sich damit nicht immer beliebt. Ihr wurde oft vorgeworfen, Trumps falsche Aussagen nicht öfter «Lügen» zu nennen. Haberman nennt die meisten falschen Aussagen von Trump trotzdem unbeirrt «Unwahrheiten». Lügen will sie nur sagen, wenn sie sicher weiss, dass er absichtlich die Unwahrheit sagt. «Er denkt aber oft, dass was auch immer er sagt, wirklich so ist», schrieb Haberman zu den Vorwürfen, sie würde Trumps Verhalten verharmlosen, auf Twitter. Lieber ist sie übervorsichtig, als es sich leicht zu machen.
Seit mehr als 14 Jahren berichtet Haberman über Trump
Trump mag es, die Leute um sich herum zu kennen. Haberman, die seit mehr als 14 Jahren über ihn berichtet, erfüllt dieses Kriterium. Ihre Berichterstattung findet Trump trotzdem oft unfair. Am Anfang seiner Amtszeit trifft Haberman ihn im Oval Office. «Und er sagte zu mir: ‹Es gibt die Maggie, mit der ich spreche und die, die über mich schreibt›», erzählt sie in einem Interview. «Manchmal schreit er mich auch an.» Sie kontert dann höflich, aber bestimmt. Trump respektiere niemanden, der sich anschreien lässt. «Es gibt Momente, da denke ich, dass er ein gutes Argument hat – ich halte trotzdem dagegen. Er macht dich platt, wenn du nicht selbstbewusst bist.» Beide profitieren von der Beziehung: Trump wird ernst genommen, Haberman ist die meistgelesene Journalistin der «New York Times».
«Wahrscheinlich gibt es für jeden Präsidenten einen Reporter, der von seinen Geschichten und seinem Temperament her perfekt zu ihm passt. Ich glaube, Maggie Haberman versteht Donald Trumps Welt ebenso wie unsere. Sie ist eine Art Boulevardreporterin mit New-York-Times-Wurzeln», sagt Habermans Chef, «NYT»-Chefredakteur, Dean Baquet, über sie.
Im November wirft Trump den CNN-Journalisten Jim Acosta aus dem Weissen Haus, der klagte seine Akkreditierung ein. Auch über Habermans Berichterstattung beschwert sich Trump oft. Auf Twitter nannte er sie schon mehrmals eine «drittklassige Reporterin», «traurig» und beschuldigte sie, für Hillary Clinton zu sein. Die «NYT» ist für ihn ohnehin «Fake News». Doch kaltgestellt hat er Haberman bislang nicht. Im Gegenteil: Bei der Star-Reporterin klingelt noch immer regelmässig das Telefon.
Maggie Haberman (45) berichtet für die «New York Times» über Donald Trump und alles, was im Weissen Haus passiert. Kein anderer Reporter hat so eine gute Beziehung zum US-Präsidenten. Ihr Vorteil: Die New Yorkerin arbeitete gut ein Jahrzehnt für die Boulevardtitel der Stadt, lernte so die Welt von Donald Trump kennen. Mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie in Brooklyn.
Maggie Haberman (45) berichtet für die «New York Times» über Donald Trump und alles, was im Weissen Haus passiert. Kein anderer Reporter hat so eine gute Beziehung zum US-Präsidenten. Ihr Vorteil: Die New Yorkerin arbeitete gut ein Jahrzehnt für die Boulevardtitel der Stadt, lernte so die Welt von Donald Trump kennen. Mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie in Brooklyn.