Wie haben die Briten um ihren Premierminister gezittert. Eine Woche lang lag Boris Johnson (55) als Corona-Infizierter im Londoner St.-Thomas-Spital, musste sogar während drei Tagen auf der Intensivstation mit Sauerstoff versorgt werden. Schon wurde über seine Nachfolge an der Downing Street diskutiert.
Nun ist der Wuschelkopf zurück. Er hat sich auf dem Landsitz Chequers in Gesellschaft seiner nur leicht an Corona erkrankten, schwangeren Verlobten Carrie Symonds (32) bestens erholt. Im Sommer sollen sie Eltern werden.
Noch keine Corona-Lockerung
Am Montag hat er die Regierungsgeschäfte wieder in die Hand genommen und als Erstes einer vorzeitigen Lockerung der Ausgangsbeschränkungen eine Absage erteilt. «Ich verstehe eure Ungeduld», sagte er. Eine zweite Erkrankungswelle müsse aber unbedingt verhindert werden. Die strikten Regeln gelten noch bis 7. Mai.
Bisher sind in Grossbritannien über 20'000 Menschen an Corona gestorben – wohl deshalb so viele, weil Johnson die Pandemie verschlafen hatte und erst wachgerüttelt wurde, als er selber betroffen war.
Kein Penny zu viel an die EU
Wer meint, dass ihm die Corona-Pandemie den Brexit aus dem Kopf geschlagen hat, liegt falsch. Wie vorgesehen schon bis Ende Jahr will Johnson die zukünftige Zusammenarbeit mit der EU definiert haben. Bis dann gilt eine Übergangsregelung, die nach dem vollzogenen Austritt vom 31. Januar in Kraft getreten ist. Ohne Vertrag gibts einen harten Bruch.
Problemlos könnte Johnson im Zuge des europaweiten Corona-Lockdowns das Tempo reduzieren und diese Übergangsfrist um zwei Jahre verlängern. So was kommt ihm aber selbst in der grössten Krise seit dem Weltkrieg nicht in den Sinn. Jeder Penny mehr in der EU-Kasse wäre ihm einer zu viel.
Bereits liess er seine Leute am 20. April an einer Videokonferenz mit Brüssel weiterkämpfen. Am 11. Mai und 1. Juni sind die nächsten einwöchigen Verhandlungsrunden angesagt. Die Meinungsverschiedenheiten sind kaum überwindbar.
EU hat andere Sorgen
Hitzkopf Johnson wird stur bleiben, auch aus Brüssel sind keine Zugeständnisse zu erwarten. Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauss (59) warnt davor, dass die Corona-Krise alle anderen wichtigen Themen verdrängen werde: «In den Mittelpunkt rücken fortan die Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen, Krisenmanagement, Exit und Wiederaufbau – womöglich die Aufrechterhaltung der EU-Integration an sich.»
Zurzeit läuft alles auf eine Ablösung der Briten ohne Freihandelsabkommen hinaus. Weder eine schwere Krankheit noch ein Baby scheinen Turbo-Johnson stoppen zu können.