Mit einem Sondergipfel haben 16 von 28 EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag in Brüssel versucht, die tiefen Gräben in der Flüchtlingspolitik der EU zu überbrücken.
Konkrete Resultate gab es noch keine, doch es gebe «viel guten Willen», sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen.
Vor allem für Merkel, die innenpolitisch stark unter Druck ist, steht viel auf dem Spiel. Doch auch andernorts spitzt sich die Krise zu: Italien etwa weigert sich, weitere Rettungsschiffe mit Flüchtlingen anlegen zu lassen.
Wer will eigentlich was? BLICK verschafft Klarheit über die Verhandlungspositionen.
Deutschland
Angela Merkel ist unter Zugzwang. Innenminister Horst Seehofer von der Schwesterpartei CSU hat ihr bis am 1. Juli eine Deadline gesetzt: Bis dann sollen Ergebnisse vorliegen. Andernfalls will er gegen Merkels Willen die Positionen der CSU im Alleingang durchsetzen. Dazu gehört, dass bereits in anderen Ländern registrierte Migranten an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden.
Das möchte Merkel nicht. Registrierte Flüchtlinge sollen nach wie vor nach Deutschland einreisen dürfen. Ausserdem setzt sie sich für eine europäische Lösung zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU ein und möchte nationale Alleingänge verhindern. Das soll mit zwischenstaatlichen Abkommen erreicht werden.
Italien
Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte präsentierte einen Zehn-Punkte-Plan, der einen radikalen Wandel in der europäischen Asylpolitik vorsieht. Unter anderem soll das bisherige Dublin-System aufgegeben werden.
Conte will nun die Migration nach Europa weiter drastisch reduzieren, unter anderem über Abkommen mit den Herkunftsländern und Schutzzentren in Transitländern. Wirtschaftsflüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl sollten gerecht auf die EU-Staaten verteilt werden.
Österreich
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz strebt ebenfalls eine grundlegende Wende in der EU-Asylpolitik an. Das Mandat der EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse so geändert werden, «dass ein Grenzschutz-Einsatz von Polizisten und Soldaten künftig möglich ist», fordert Österreich.
Das Ziel sei ein wirksamer Schutz der EU-Aussengrenzen. Kurz setzt sich ebenfalls für den Bau von Asylzentren ausserhalb Europas ein.
Frankreich
Von den verbündeten Franzosen erhält Angela Merkel Rückendeckung. Staatschef Emmanuel Macron versprach bereits, in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Auch er spricht sich für eine europäische Lösung aus.
Unter anderem soll es Flüchtlingszentren auf europäischem Boden geben. Andere Länder sollen Staaten mit solchen Zentren finanziell unterstützen und solidarisch Migranten aufnehmen.
Spanien
Der neue linke Ministerpräsident Pedro Sánchez ist ebenfalls auf Merkels Seite und setzt sich für Asylzentren innerhalb der EU-Grenze ein. Kürzlich hat Spanien das Flüchtlingsschiff Aquarius mit mehr als 600 Flüchtlingen im Hafen von Valencia anlegen lassen, nachdem es in Italien und Malta abgeblitzt war.
Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien
Die vier sogenannten Visegrad-Staaten, die auf eine harte Linie pochen, boykottieren den EU-Sondergipfel zur Asylpolitik. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte das Treffen als «inakzeptabel» bezeichnet. «Wir werden daran nicht teilnehmen, denn sie wollen einen Vorschlag wieder aufwärmen, den wir bereits abgelehnt haben», sagte er letzte Woche. (rey/SDA)