Die Lage um die syrische Stadt Idlib scheint sich leicht zu beruhigen. Der russische Präsident Wladimir Putin (65) und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan (64) haben sich am Montag darauf geeinigt, bis zum 15. Oktober rund um die Region Idlib einen 15 bis 20 Kilometer breiten, entmilitarisierten Streifen einzurichten. Die syrische Regierung begrüsste den Entscheid.
Mauro Mantovani, Dozent Strategische Studien an der Militärakademie der ETH Zürich, schätzt für BLICK die Lage ein.
Ist die Gefahr eines Angriffs auf Idlib durch die Errichtung einer Pufferzone gebannt?
Mit der Errichtung der Pufferzone dürften die syrische Armee und ihre Verbündeten von einem unmittelbaren Angriff absehen. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Assad ist weiterhin entschlossen, Idlib einzunehmen und der syrischen Rebellion die endgültige Niederlage zu bereiten.
Warum ist es so wichtig, Idlib zu schützen?
In der Provinz Idlib leben knapp drei Millionen Menschen. Eine Grossoffensive gegen Idlib bringt die Gefahr einer weiteren Flüchtlingskrise mit sich, gemäss UN wäre eine «humanitäre Krise» von bislang noch nicht erlebtem Ausmass wahrscheinlich. Bis zu 800'000 Flüchtlinge könnten gezwungen zu sein, über die Grenze in die Türkei zu flüchten. Präsident Erdogan warnte bereits davor, dass dies nicht nur die Türkei, sondern auch Europa betreffen werde.
Wie werden die in Idlib lebenden Terroristen reagieren?
Tatsächlich operieren in Idlib auch dschihadistische Gruppierungen wie das Bündnis Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) und kleinere, Al Kaida nahestehende Gruppierungen. Die Pufferzone beziehungsweise die Frage, ob man diese akzeptieren soll, dürfte Spannungen innerhalb dieser Gruppen verstärken und allenfalls zu weiteren Abspaltungen führen. Dies spielt vor allem der Türkei bei dem Versuch in die Hände, ihre Kontrolle über die bewaffnete Opposition zu stärken. So hat sie als Gegengewicht zu HTS eine aus verschiedenen Rebellengruppen bestehende Koalition namens Jabhat al-Wataniya lil-Tahrir (Nationale Befreiungsfront) etabliert. Nicht unbeachtet darf dabei bleiben, dass auch auf Seiten Assads Gruppierungen kämpfen, die weltweit mehrere Grossanschläge verübt haben, so etwa die libanesische Hisbollah.
Warum hört Putin auf Erdogan?
Die Beziehungen zwischen Ankara und Moskau haben sich in den vergangenen Monaten, trotz der diametral entgegengesetzten Parteinahme im Syrienkonflikt, erheblich verbessert. Solange Putin seine strategischen Ziele zu erreichen vermag, dürfte er zu solchen Kompromissen bereit sein. Zudem ist Russland selbst nicht an einer Grossoffensive in Idlib interessiert, einerseits aufgrund der militärischen Risiken, andererseits um eine Konfrontation mit der Türkei zu vermeiden.
Bringt die Pufferzone Hoffnung auf Frieden?
Davon gehe ich nicht aus. Wie bereits erwähnt, drängt Assad darauf, die gesamte Region von Idlib zurückzuerobern. Angesichts der unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Akteure ist zudem fraglich, ob sich eine solche Pufferzone tatsächlich durchsetzen lassen wird.
Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.
Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.