Ein Video aus Hongkong macht derzeit auf Twitter die Runde: Ein Demonstrant blutet stark im Gesicht, er wird von Polizisten am Boden gehalten – der Beamte drückt unerbittlich das Knie auf seinen Kopf. Die Haut des jungen Mannes scheuert über den rauen Boden, Blut fliesst, der Mann schreit vor Schmerz.
Einerseits schockt die Brutalität, mit der die Polizisten vorgehen. Andererseits schreiben die Aktivisten, dass es sich um Undercover-Polizisten in Zivilkleidung handle. Diese hätten sich unter die Demonstranten gemischt, um dann plötzlich mit Schlagstöcken auf diese loszugehen.
Mehrere Demonstranten teilten auch Bilder einer jungen Frau, die eine schwere Augenverletzung zeigt. Sie sei von einem Geschoss der Polizei getroffen worden, habe deshalb ihr Augenlicht verloren.
Proteste am Flughafen
Tausende Demonstranten versammelten sich am Montag in der Abflug- und Ankunftshalle des Flughafens, um gegen die Regierung und die Polizeigewalt bei vorangegangenen Protesten in der Stadt zu protestieren. Wie der Flughafen mitteilte, wurde der Check-in für die verbleibenden Flüge wegen ernsthafter Störungen des Betriebs ausgesetzt.
Schwarz gekleidete Aktivisten skandierten im Flughafen Parolen. Die Polizei solle einer Demonstrantin, die durch ein Gummigeschoss schwer im Gesicht verletzt worden war, ihr Auge «zurückgeben».
Demonstranten vermeiden direkte Konfrontationen mit der Polizei
Am Wochenende hatten zahlreiche Demonstranten den Aufruf befolgt, sie sollten sich «wie Wasser» verhalten und direkten Konfrontationen mit der Polizei aus dem Weg gehen. «Es geht nicht darum, der Polizei die Stirn zu bieten oder eine Strasse zu besetzen», sagt der 17-jährige Lok. «Wir werden uns nicht Auge in Auge gegenüberstehen – und ihnen damit viel mehr Ärger bereiten.»
Und der Jugendliche Chan meint: «Was wir wollen, ist: keine Verletzungen, kein Blut, nicht festgenommen werden. Unsere frühere Taktik, uns an einem Platz festzusetzen, hatte zu viele Festnahmen und Verletzungen zur Folge.»
Cathay Pacific droht Unterstützern
Auf Druck Chinas drohte derweil die Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific Unterstützern der Proteste mit Entlassung. Angestellten, die «illegale Demonstrationen unterstützen oder daran teilnehmen», könne gekündigt werden, erklärte Cathay Pacific am Montag. Chinas Luftfahrtbehörde hatte die Airline am Freitag angewiesen, Aktivisten weder auf Flügen Richtung Festland-China noch durch den chinesischen Luftraum einzusetzen.
Die Fluggesellschaft bestätigte zugleich, dass ein Pilot der Gesellschaft seit Ende Juli wegen seiner Beteiligung an den Protesten nicht mehr fliegen darf. Cathay Pacific fürchtet einen Boykott in China. Konzernchef Hogg hatte am Samstag betont, die Geschäfte in China seien «ein Kernelement»: Die Airline fliege nicht nur von und nach China, auch ein Grossteil der Flüge nach Europa und in die USA führten durch chinesischen Luftraum. Der Aktienkurs von Cathay Pacific fiel am Montag an der Börse in Hongkong um fast 4,4 Prozent. Der Kurs der Muttergesellschaft Swire Pacific brach um mehr als fünf Prozent ein.
Proteste ursprünglich wegen Auslieferungsgesetz
Die Proteste in der ehemaligen britischen Kronkolonie waren ursprünglich durch ein – später auf Eis gelegtes – Auslieferungsgesetz ausgelöst worden, das die Überstellung von Verdächtigen an Festland-China erlaubt hätte. Die Demonstrationen weiteten sich danach zu einer Bewegung gegen den wachsenden Einfluss Pekings in Hongkong und für mehr Demokratie aus.
Die Demonstranten fordern inzwischen auch die Direktwahl für das Amt des Regierungschefs, das bislang von der Peking-treuen und laut Meinungsumfragen unbeliebten Carrie Lam ausgeübt wird. (neo/SDA)