Es ist ein Kampf gegen kurdische Terroreinheiten, doch die türkische Invasion in Nordsyrien trifft die Schwächsten. Nach der Eroberung der Stadt Afrin begannen türkische Soldaten und ihre Verbündeten von der Freien Syrischen Armee, Restaurants, Geschäfte und Häuser der über 200’000 Vertriebenen zu plündern.
Bulent Kilic, ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP, berichtete, wie Hab und Gut der Einheimischen im Schutze der Nacht auf Autos, Lastwagen und Traktoren abtransportiert worden sei. Unter der Beute befanden sich unter anderem Elektrogeräte wie Computer, Nahrungsmittel, Decken, Motorräder, aber auch Schafe, Ziegen und Tauben.
Lieber plündern als den Sieg feiern
Der Reporter habe Hunderte von Kämpfern gesehen, denen das Plündern wichtiger gewesen sei als die Feier über ihre Eroberung. Der Journalist: «Ich berichte seit Jahren aus Kriegsgebieten. Es kommt immer vor, dass zwei, drei Soldaten plündern. Aber hier sind sie in grösster Eile, um alles aus der Stadt abzutransportieren.»
Menschenrechtler gaben an, dass Häuser teilweise komplett leer geräumt worden seien. Der frühere Vorsitzende der Syrischen Nationalen Koalition (SNC), Chaled Chodscha, verurteilte die Plünderungen in Afrin. Für «Banditen und Wegelagerer» könne es unter den Rebellen keinen Platz geben.
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, forderte am Montag in Genf freien Zugang nach Afrin. Die Zivilbevölkerung habe das Recht auf unparteiische Hilfe und das Recht zu bleiben oder wegzuziehen. Der Türkische Rote Halbmond sei dort ungeeignet für humanitäre Hilfe.
Erdogan will weiter expandieren
Die Türkei hatte die Offensive am 20. Januar gestartet, um die kurdischen YPG-Einheiten aus Afrin zu vertreiben. Ankara sieht die Präsenz der YPG an der Grenze als Bedrohung, da die Gruppe eng mit der PKK verbunden ist. Nachdem die Offensive lange nur langsam vorangekommen war, kreisten die türkischen Kräfte vor einer Woche die Stadt Afrin ein. Die YPG hatte zuvor mit Unterstützung der USA gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (64) drohte damit, das ganze syrische Grenzgebiet unter seine Kontrolle zu bringen. Auch ein Einmarsch in kurdische Gebiete im Irak sei ein Thema. (gf)