Chris Kyle, der tödlichste Scharfschütze der US-Army, schrieb seine Erlebnisse im Irakkrieg in einem Buch nieder. Clint Eastwood hat seine Autobiografie verfilmt, der Streifen kommt morgen in die Schweizer Kinos.
Der Film legt den Fokus auf sein Leben, sein Tod spielt eine untergeordnete Rolle – teilweise auch auf Wunsch von Kyles Witwe Taya. Dabei nennt die «Washington Post» Kyles Tod das «dunkelste Kapitel des American Snipers». Denn das Ende der Geschichte ist tragisch und ironisch zugleich. Und eine Frage bleibt unbeantwortet: Wieso schoss Eddie Ray Routh dem American Sniper vier Mal in den Rücken?
«Er sitzt direkt hinter mir, gib mir Deckung»
Es ist der 2. Februar 2013: Chris Kyle nimmt den Kriegsveteranen Routh auf Wunsch der Mutter mit zu einem Schiessstand. Kyle hilft zurückgekehrten Soldaten, die Mühe haben mit dem Alltag und dem Verarbeiten des im Krieg erlebten. Routh hat mehr als nur Mühe. Er soll an posttraumatischen Störungen leiden und deshalb mehrmals in der psychiatrischen Klinik gewesen sein.
Die beiden werden von Kyles Freund Chad Littlefield begleitet. Doch schon im Auto haben Kyle und Littlefield ein komisches Gefühl. Kyle schickt seinem Freund heimlich ein SMS, schreibt Routh sei «komplett verrückt». «Er sitzt direkt hinter mir, gib mir Deckung», antwortete Littlefield im Militär-Jargon.
Routh war genervt vom «American Sniper» und seinem Freund
Beim Prozess gegen den Veteranen, erzählt Routh, dass er während der Fahrt genervt war von seinen Begleitern. Er sagt, er musste etwas essen, obwohl er keinen Hunger hatte. Auf dem Schiessstand selbst kam es zu einem Streit.
Routh war sauer, weil Littlefield nicht schiessen wollte. «Wirst du schiessen? Das ist kein Zuschauer-Sport. Das ist ein Schiess-Sport», soll er zu Littlefield gesagt haben.
Anschliessend schiesst Routh dem «American Sniper», der selbst mindestens 160 Menschen getötet hat, vier Mal in den Rücken und ein Mal ins Gesicht. Littlefield streckt er mit fünf Schüssen nieder.
Im Prozess plädierte seine Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit. «Ich war an dem Tag so paranoid-schizophren, dass ich nicht wusste, was ich von der Welt halten soll. Ich wusste nicht, ob ich gesund war oder krank», sagt Routh zum Tag mit Kyle und Littlefield. Die herumliegenden Waffen und der Geruch von Schiesspulver hätten laut Verteidigung alles noch viel schlimmer gemacht. Und er glaubte offenbar, sein Leben sei in Gefahr.
Marihuana schuld an Psychose?
Mehrere Ärzte erstellten Gutachten: Ein Arzt machte seinen Marihuana-Konsum für seine Psychosen verantwortlich, ein anderer attestierte ihm eine Geisteskrankheit, die ihn nicht unterscheiden liess, was richtig und was falsch ist.
Die Anklage machte Drogen- und Alkoholprobleme für Rouths geistige Verwirrung verantwortlich. Er wäre durchaus in der Lage gewesen, «zwischen Gut und Böse zu unterscheiden». Und dieser Auffassung folgten am Ende auch die Geschworenen. Eddie Ray Routh wurde zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Aussicht auf eine vorzeitige Entlassung hat er nicht. (kab)