Erstes Video von gefangenem Piloten aufgetaucht
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Flugzeuge abgeschossen:Erstes Video von gefangenem Piloten aufgetaucht

Kaschmir-Konflikt
Ein Schweizer Offizier (47) an der heissesten Grenze Asiens

Der Schweizer Cyrus Wagner ist in einem der gefährlichsten Gebiete der Welt stationiert. Er dokumentiert, wenn Indien oder Pakistan den Waffenstillstand in Kaschmir verletzen.
Publiziert: 06.03.2019 um 08:15 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2019 um 13:56 Uhr
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Der Schweizer Cyrus Wagner ist in Kaschmir stationiert.
Foto: zVg

Der Grenzkonflikt zwischen Indien und Pakistan ist neu entflammt. Nachdem die Atommächte in der vergangenen Woche Kampfflugzeuge des jeweils anderen Staats abgeschossen haben, bahnt sich die nächste Eskalationsstufe an: Pakistans Marine hat nach eigenen Angaben ein indisches U-Boot an der Einfahrt in pakistanische Gewässer gehindert.

Das indische U-Boot sei gestoppt, aber nicht angegriffen worden – entsprechend der Politik der pakistanischen Regierung zur «Aufrechterhaltung des Friedens», teilte ein Marinesprecher am Dienstag mit.

Der Konflikt dreht sich um die Region Kaschmir

Ob die Behauptung stimmt, ist noch unklar. Doch die Nachricht versetzt die Weltgemeinschaft in Alarmbereitschaft. Denn beide Länder besitzen nuklear aufgerüstete U-Boote. Das Eindringen in fremde Hoheitsgewässer wäre eine deutliche Provokation. 

Rund 1500 Kilometer entfernt befindet sich der Brandherd des Konflikts der Atommächte. Dort, in der umkämpften Region Kaschmir, ist der Schweizer Oberstleutnant Cyrus Wagner (47) stationiert. Seit Mai 2018 dokumentiert er für die Uno den schwelenden Grenzkonflikt. Seit 70 Jahren gibt es die Beobachtermission – es ist der längste Uno-Einsatz jemals. 14 Nationen sind an der Mega-Mission beteiligt.

Wagner beobachtet die 740 Kilometer lange Grenze

Wagners Tage sind stets gefüllt. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus den anderen Ländern geht er täglich auf Patrouille entlang der Waffenstillstandslinie, die das von Indien kontrollierte Gebiet Jammu und Kaschmir vom pakistanischen Gilgit-Baltistan trennt. «Wir beobachten selbst Waffenstillstandsverletzungen oder werden von einer der Konfliktparteien darauf aufmerksam gemacht. Dann führen wir Befragungen durch und dokumentieren vor Ort den Verstoss.» Monatlich komme es zu Waffenstillstandsverletzungen beider Seiten – in der Regel abseits der Weltöffentlichkeit. «Oft sind es kürzere Schusswechsel oder ein Granateneinschlag.»

Foto: Blick Grafik

Immer wieder kommt es auf beiden Seiten zu Anschlägen mit Toten. Am 14. Februar starben bei einem Selbstmordanschlag 41 indische Sicherheitskräfte. Hinter der Tat steckte laut indischen Angaben die Islamistengruppe Jaish-e-Mohammed. Die indische Regierung beschuldigt Pakistan, den Anschlag unterstützt zu haben. Am 26. Februar griffen indische Armeejets ein «Terroristencamp» im pakistanischen Teil Kaschmirs an. Vergangenen Mittwoch setzten die beiden Atommächte im Streit um die umstrittene Kaschmir-Region das erste Mal seit Jahren ihre Luftwaffen ein. (BLICK berichtete)

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Der Pilot einer Maschine wurde gefangen genommen. Hier befragen ihn die Beamten.

Das Gebiet, das Wagner und seine Kollegen – darunter auch zwei weitere Schweizer – überblicken müssen, ist gigantisch. 740 Kilometer ist die Kontrolllinie lang – die Strassenverhältnisse erschweren die Mission zusätzlich. «Man kann für fünf Kilometer schnell mal eine Stunde brauchen», erzählt Wagner BLICK. Alle paar Tage wechselt er zu einer anderen Feld-Station. Die höchste liegt nahe der chinesischen Grenze auf über 4800 Meter über dem Meer.

Seine Familie ist besorgt

Von den Einheimischen werden die Uno-Beobachter positiv aufgenommen. Auch ärmere Menschen böten ihnen immer Chai-Tee mit Milch und Kuchen an. «Falls das nicht vorhanden ist, geht ein Familienmitglied zum Nachbarn, um die Verpflegung auszuborgen.» In einer Schule am «sprichwörtlichen Ende der Welt» liess der Rektor alle 257 Kinder aufstellen, um den Friedensmissionaren die Hand zu schütteln. «Die 12- bis 13-jährigen Mädchen hatten extrem raue Hände, wie alte Menschen», erinnert sich Wagner an das eindrückliche Erlebnis. «Sie mussten die Wäsche der Familie in einem eiskalten Bach in der Nähe waschen. Das Wasser war unglaublich kalt – ich konnte meine eigenen Hände nur wenige Sekunden darin waschen.»

Eine sechswöchige Spezialausbildung hat Wagner auf den Einsatz vorbereitet. Er fühlt sich trotz des Sicherheitsrisikos und der mühsamen Tage wohl im Konfliktgebiet, die bergige Landschaft erinnert ihn an die Schweiz.

Der Oberstleutnant ist sich der Gefahren bewusst, zuvor leistete er bereits Einsätze im Nahen Osten und im Kosovo. Seine Familie – Wagner ist verheiratet und hat vier Kinder – beobachte seinen Einsatz allerdings mit grösserer Sorge. «Es ist schwierig, die Familie zu Hause zu überzeugen, dass man nicht in unmittelbarer Lebensgefahr steckt.» Überschlagen sich die Ereignisse wie in der vergangenen Woche, rufe seine Frau abends besorgt an. Sie lese manche Nachrichten sogar vor ihm. «Wenn wir im Fahrzeug unterwegs sind, dann haben wir keine Internetverbindung und bekommen manche Informationen erst wieder in der Feld-Station.»

Was die Schweiz im Kaschmir-Konflikt unternimmt

Die Uno initiierte 1949 im Grenzgebiet die Beobachtermission «United Nations Military Observer Group in India and Pakistan» (UNMOGIP). Die Gruppe umfasst rund 100 Personen. Auch die Schweiz beteiligt sich seit 2014 daran – zurzeit mit drei Militärbeobachtern.

Die Uno initiierte 1949 im Grenzgebiet die Beobachtermission «United Nations Military Observer Group in India and Pakistan» (UNMOGIP). Die Gruppe umfasst rund 100 Personen. Auch die Schweiz beteiligt sich seit 2014 daran – zurzeit mit drei Militärbeobachtern.

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