Horror-Dok über Charlottesville-Mob veröffentlicht
«Es müssen noch viele sterben, bevor wir hier durch sind»

Letztes Wochenende kommt es in Charlottesville zu einem Auflaufen amerikanischer Rechtsradikaler. Eine Film-Crew von VICE News hat den rechten Mob begleitet und schockierende Szenen aufgezeichnet.
Publiziert: 15.08.2017 um 21:13 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:36 Uhr
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VICE-Reporterin Elle Reeve begleitet die Ultrarechten das ganze Wochenende während dem Fackellauf und den Demonstrationen in Charlottesville .
Foto: Screenshot Youtube
Simona Boscardin

Ein Fackellauf wie zu Nazi-Zeiten. Eine Demonstration ultrarechter Gruppen, die eskaliert. Ein Auto, das in eine Gruppe Gegendemonstranten rast, eine Personen tötet und 35 weitere verletzt und mittendrin eine Reporterin, die alles dokumentriert. 

Gestern veröffentlichte VICE News eine über 20-minütige Dokumentation, die auf Youtube zu finden ist, in der die Reporterin Elle Reeve zeigt, was während drei Tagen in Charlottesville abging. Sie begleitet den Fackellauf, trifft den Sprecher der ultrarechten «Unite the Right», ein führendes Mitglied des Ku-Klux-Klans und spricht mit den Leuten, die Opfer des Autoanschlags wurden.

Ein Fackellauf wie zu Nazi-Zeiten

Es ist Freitag, 10 Uhr Abends und die «Unite the Right»-Anhänger laufen mit Fackeln durch das idyllische Charlottesville. Sie skandieren Parolen wie «Juden werden uns nicht ersetzen!» oder «Blut und Boden.» Auf dem Universitätsgelände treffen sie auf protestierende Studenten. Die Gruppen geraten aneinander. 

Die Polizei trifft ein – jedoch zu spät. Ein junger Schwarzer mit einem «Black Lives Matter»-Shirt ruft den Polizisten zu: «Ihr seid zu spät! Wenn ihr schon den wenigen Leuten hier nicht helfen konntet, seid wenigstens morgen bereit.»

Trump sei unfähig, weil er seine Tochter an einen Juden verheiratet hat 

Die Dokumentation springt zum Morgen des Fackellaufs. VICE-Reporterin Elle Reeve lernt Christopher Cantwell kennen, Sprecher der «Unite the Right»-Bewegung. «Wann hast du begonnen, dich für die Rassen-Sache, wie du es nennst, zu interessieren?», fragt sie Cantwell. «Als das mit Travyor Martin passierte. Danach Michael Brown und Tamir Rice. Jedes mal ist es ein kleines schwarzes Arschloch, der sich wie ein wildes Tier benimmt und deshalb Probleme bekommt.» Martin, Brown sowie Rice wurden alle drei von Polizisten erschossen, obwohl von keinem von ihnen Gewalt ausging. 

Auch zu Trump hat Cantwell eine klare Meinung: «Ich hoffe auf jemanden, der fähiger ist als er. Einer, der seine Tochter nicht an einen Juden verheiratet. Du kannst nicht gleich über Rasse fühlen wie ich es tue und zusehen wie dieser Bastard Kushner mit diesem wunderschönen Mädchen rumläuft.», sagt er. «Also jemand wie Donald Trump - einfach rassistischer?», fragt die Reporterin nach. «Sehr viel rassistischer als Trump.», entgegnet Cantwell.

In dem Interview, dass die beiden im McIntire Park in Charlottesville führen, erklärt Christoph Cantwell, wie die Ultrarechten den politischen Kampf der Linken adaptieren. Ihnen hätte bisher die Kameradschaft gefehlt. Sie hätten nicht den Level an Vertrauen, den ihre «Rivalen» hätten. Dieses Vertrauen baue sich durch den Aktivismus aus, den sie jetzt von den Linken kopieren würden. 

«Wenn du mich so behandelst, bringt dich das in Gefahr!»

Am Samstag findet die Demonstration im Emancipation Park statt, ausgelöst durch die Entfernung der Statue von Rober E. Lee. Dieser kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg für den Fortbestand der Sklaverei. Im Park haben sich auch schon Gegendemonstranten versammelt, die laut: «Wir sind hier. Wir sind schwul. Wir kämpfen gegen den Ku-Klux-Klan» rufen. Auf der anderen Seite stehen auch schon die Ultrarechten, mit Schildern, Helmen und Stöcken. Sie antworten auf die Gesänge mit: «Fickt euch ihr Schwuchteln!». 

Die Situation eskaliert und die Gruppen gehen aufeinander los. Nachdem die Polizei eingreift, müssen sich die Ultrarechten auflösen und treffen sich in einem anderen Park. Auf dem Weg dorthin spricht Christoph Cantwell, Sprecher der «Unite the Right»: «Wir brechen kein Gesetz! Wir versuchen nur, unsere Meinung zu vertreten und was die auch immer von meiner Meinung halten, wenn du mich so behandelst, bringt dich das in Gefahr!»

«Wir würden diese Leute verdammt nochmal töten, wenn wir das müssten.»

Der aufgebrachte Cantwell flucht noch immer über den Ausgang der Demonstration: «Ich sage nicht, dass wir nicht gewalttätig sind, aber wir haben nicht als Erste angegriffen.», sagt er. «Natürlich sind wir gewalttätig. Wir würden diese Leute verdammt nochmal töten, wenn wir das müssten.», untermauert er seinen Standpunkt. 

Neben Cantwell geht Robert «Azzmador» Ray, bekennender Neo-Nazi und zuständig für die Berichterstattung der Ultrarechten auf der Website «Daily Stormer». «Das passiert nur, weil diese Stadt von jüdischen Kommunisten und kriminellen Negern geführt wird!», schreit er in die Kamera. 

Das sei erst der Anfang 

Als die Reporterin hört, dass Ray für die Ultrarechten die Medienarbeit betreibt, fragt sie ihn, was ihm der Protest in Charlottesville bedeutet: «Wir können endlich dieser parasitären Klasse von anti-Weissen, diesem amerikanischem Schund zeigen, dass wir ihnen überlegen sind. Irgendwann werden wir genug stark sein um die Strassen für immer von ihnen zu säubern.» Das sei erst der Anfang, betont er. 

Der Gouverneur ruft den Ausnahmezustand aus, das bedeutet, jegliche Versammlungen illegal sind. Die Ultrarechten sind wütend. David Duke, ehemaliges führendes Mitglied des Ku-Klux-Klans lässt seinem Frust freien Lauf: «Wir hatten die Erlaubnis zu sprechen! Doch die wollten uns nicht, weil wir die Wahrheit sagen. Die Wahrheit über die ethnische Säuberung Amerikas, die Zerstörung der amerikanischen Lebensweise und der Entstehung einer neuen bolschewikischen Gesellschaft ohne Freiheit.»

«Keiner unserer Leute hat ungerechtfertigt jemanden getötet»

Die Demonstration ist zu Ende. Es ist Sonntag Abend und VICE-Reporterin Elle Reeve spricht ein letztes Mal mit Christoph Cantwell von den Ultrarechten. Er zeigt ihr die Waffen, die er zur Demonstration mitgenommen hat: «Ich war ziemlich gut vorbereitet auf heute», sagt er und wirft ein Sturmgewehr, drei Handfeuerwaffen und ein Messer auf das Bett neben sich. «Ich habe noch eine zweite AK-47 in meiner Tasche dort drüben. Bei so vielen Waffen verliert man gerne den Überblick.», sagt er fast ein bisschen stolz. 

Wie sein Fazit der letzten Tage aussieht, fragt ihn die Reporterin. Es habe sich geloht. Natürlich wussten sie, dass sie auf viel Widerstand treffen würden. Dass auf ihrer Seite niemand gestorben ist, sei aber ein Punkt für sie: «Die Tatsache, dass keiner unserer Leute jemanden ungerechtfertigt getötet hat, ist ebenso ein Plus für uns, denke ich.», sagt Cantwell. 

«Es wurde nur jemand getötet, weil unsere Rivalen unaufmerksame, dumme Tiere sind»

«Und das Auto, das eine Protestierende getötet hat?», fragt die Reporterin sichtlich mitgenommen. «Es scheint so, als ob jemand das Auto angegriffen hat und dem Fahrer nichts anderes übrig blieb, als aufs Gas zu drücken. Es wurden Leute verletzt, weil unsere Rivalen unaufmerksame, dumme Tiere sind, die nicht aus dem Weg gehen konnten.» Cantwell findet das Verhalten des Fahrers jedoch «mehr als gerechtfertigt.»

Trotzdem würde der nächste Protest der Ultrarechten sehr schwierig zu übertreffen sein, doch sie wollen sich der Aufgabe stellen. Als die Reporterin verwundert nachfragt: «Übertreffen? Es ist jemand gestorben», antwortet Cantwell: «Es müssen noch sehr viele Leute sterben, bevor wir hier durch sind. Ich kann verstehen, dass sie sich wehren, wenn wir ihnen sagen, ‹Wir wollen unser Heimatland zurück›. Aber diese Leute wollen die Gewalt. Wir Ultrarechten befriedigen nur die Nachfrage.» 

Die wichtigsten Akteure der rechten US-Szene

Richard Spencer (39) – der Rassenfanatiker
Der 39-Jährige war eines der Aushängeschilder der Krawalle in Charlottesville – und will der Erfinder des Begriffs «Alt-Right» sein. Seine Gegner rechnen den Polit-Aktivisten der «White Supremacy»-Bewegung zu, einer Gruppe, die sich für die Vorherrschaft der Weissen in den USA einsetzt. Spencer benutzt immer wieder Begriffe, die an die Nazizeit angelehnt sind («Heil Trump, heil Sieg!») – und unterstützte Trumps Kandidatur von Beginn weg. Von Trump-Berater Steve Bannon wurde die Homepage von Spencer als «ein Zentrum des Gedankenguts der alternativen Rechten» bezeichnet.

David Duke (67) – der Mann vom Ku-Klux-Klan
Duke sagte am Wochenende, die Prügel-Protestierer von Charlottesville würden «Trumps Wahlkampfversprechen einlösen» und «das Land zurückerobern». Duke ist ein alter Hase der rechten Szene: Der Politiker, Holocaust-Leugner und Buchautor betätigte sich schon seit den 70er-Jahren beim rassistischen Ku-Klux-Klan, schrieb Bücher über Rassentrennung. Wegen seiner radikalen Parolen und seines Neonazi-Vokabulars verhängten mehrere europäische Länder Einreisesperren gegen Duke – darunter auch die Schweiz.

Steve Bannon (63) – das Bindeglied
Bannon gilt als Bindeglied zwischen Trump und der «Alt-Right»-Bewegung. Der ehemalige Investmentbanker und Filmproduzent war Mitgründer des rechtsextremen Nachrichtennetzwerks «Breitbart», das er selber als «Plattform der alternativen Rechten» betitelte. Er unterstützte Trump von Beginn weg, was «Breitbart» zu einem Lieblingsmedium des heutigen US-Präsidenten machte. Und Trump wohl viele Stimmen aus der Szene gebracht haben dürfte. Nach der Wahl wurde Bannon mit dem neu geschaffenen Posten als «Chefstratege» belohnt.

Jason Kessler (34) – der Organisator
Jason Kessler stammt aus dem Städtchen Charlottesville und hat die Demonstration vom Wochenende mitorganisiert. Der 34-Jährige ist Präsident der Organisation «Einheit und Sicherheit für Amerika». Die Gruppierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, «die westliche Zivilisation zu verteidigen». Am Sonntag kam die Gewalt übrigens zu Kessler zurück: Als er während einer Pressekonferenz in Charlottesville der Polizei und den Behörden die Schuld für die Eskalation mit drei Toten gab, wurde er von Gegendemonstranten mit Gewalt von der Bühne vertrieben.

Michael Tubbs – der Prügler
Der Mann mit den langen Haaren wurde bei verschiedenen Prügeleien in Charlottesville fotografiert – und von Gegendemonstranten als Rädelsführer identifiziert. Verifizierte Informationen zu Tubbs sind rar, verschiedene Menschenrechtler haben ihn aber auf den Fotos erkannt. Tubbs soll im Gefängnis gewesen sein, weil er einen Bombenanschlag geplant haben soll, gilt als ultra-radikal und gewaltbereit. Zudem soll er für den Ku-Klux-Klan Waffen gestohlen haben. Heute ist er Mitglied der «League of the South», die das Rad der Zeit zurückdrehen will: Die Südstaaten sollen sich von den USA abspalten und eine unabhängige Republik werden.

Richard Spencer (39) – der Rassenfanatiker
Der 39-Jährige war eines der Aushängeschilder der Krawalle in Charlottesville – und will der Erfinder des Begriffs «Alt-Right» sein. Seine Gegner rechnen den Polit-Aktivisten der «White Supremacy»-Bewegung zu, einer Gruppe, die sich für die Vorherrschaft der Weissen in den USA einsetzt. Spencer benutzt immer wieder Begriffe, die an die Nazizeit angelehnt sind («Heil Trump, heil Sieg!») – und unterstützte Trumps Kandidatur von Beginn weg. Von Trump-Berater Steve Bannon wurde die Homepage von Spencer als «ein Zentrum des Gedankenguts der alternativen Rechten» bezeichnet.

David Duke (67) – der Mann vom Ku-Klux-Klan
Duke sagte am Wochenende, die Prügel-Protestierer von Charlottesville würden «Trumps Wahlkampfversprechen einlösen» und «das Land zurückerobern». Duke ist ein alter Hase der rechten Szene: Der Politiker, Holocaust-Leugner und Buchautor betätigte sich schon seit den 70er-Jahren beim rassistischen Ku-Klux-Klan, schrieb Bücher über Rassentrennung. Wegen seiner radikalen Parolen und seines Neonazi-Vokabulars verhängten mehrere europäische Länder Einreisesperren gegen Duke – darunter auch die Schweiz.

Steve Bannon (63) – das Bindeglied
Bannon gilt als Bindeglied zwischen Trump und der «Alt-Right»-Bewegung. Der ehemalige Investmentbanker und Filmproduzent war Mitgründer des rechtsextremen Nachrichtennetzwerks «Breitbart», das er selber als «Plattform der alternativen Rechten» betitelte. Er unterstützte Trump von Beginn weg, was «Breitbart» zu einem Lieblingsmedium des heutigen US-Präsidenten machte. Und Trump wohl viele Stimmen aus der Szene gebracht haben dürfte. Nach der Wahl wurde Bannon mit dem neu geschaffenen Posten als «Chefstratege» belohnt.

Jason Kessler (34) – der Organisator
Jason Kessler stammt aus dem Städtchen Charlottesville und hat die Demonstration vom Wochenende mitorganisiert. Der 34-Jährige ist Präsident der Organisation «Einheit und Sicherheit für Amerika». Die Gruppierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, «die westliche Zivilisation zu verteidigen». Am Sonntag kam die Gewalt übrigens zu Kessler zurück: Als er während einer Pressekonferenz in Charlottesville der Polizei und den Behörden die Schuld für die Eskalation mit drei Toten gab, wurde er von Gegendemonstranten mit Gewalt von der Bühne vertrieben.

Michael Tubbs – der Prügler
Der Mann mit den langen Haaren wurde bei verschiedenen Prügeleien in Charlottesville fotografiert – und von Gegendemonstranten als Rädelsführer identifiziert. Verifizierte Informationen zu Tubbs sind rar, verschiedene Menschenrechtler haben ihn aber auf den Fotos erkannt. Tubbs soll im Gefängnis gewesen sein, weil er einen Bombenanschlag geplant haben soll, gilt als ultra-radikal und gewaltbereit. Zudem soll er für den Ku-Klux-Klan Waffen gestohlen haben. Heute ist er Mitglied der «League of the South», die das Rad der Zeit zurückdrehen will: Die Südstaaten sollen sich von den USA abspalten und eine unabhängige Republik werden.

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