Wahlen in Griechenland
Tsipras schrammt knapp am absoluten Mehr vorbei

Das linke Syriza-Bündnis die Wahlen in Griechenland deutlich gewonnen. Das könnte drastische Folgen haben: Parteichef Tsipras will den harten Sparkurs der bisherigen Regierung beenden und nimmt dafür das Risiko in Kauf, die Euro-Zone zu verlassen.
Publiziert: 25.01.2015 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:33 Uhr
Griechenland: Syriza verpasst absolute Mehrheit
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:Griechenland: Syriza verpasst absolute Mehrheit

Die Parlamentswahl in Griechenland kennt einen Gewinner: Das Linksbündnis Syriza hat die Wahlen mit klarem Vorsprung für sich entschieden. Nach Auszählung von 99,5 Prozent der Stimmen kommt Syriza nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Singular Logic, das mit dem Innenministerium zusammenarbeitet, auf 149 Sitze und verfehlt damit eine absolute Mehrheit von 151 der 300 Sitze nur um zwei Mandate.

Der Wähleranteil liegt demnach bei 36,4 Prozent. Bei den letzten Wahlen 2012 hatte Syriza 26,9 Prozent erreicht.

«Wir haben heute Geschichte geschrieben»

Syriza-Präsident Alexis Tsipras zeigte sich euphorisch. «Wir haben heute Geschichte geschrieben», sagte der 40-Jährige am Abend vor Tausenden jubelnden Wählern im Zentrum Athens. «Ab morgen beginnt die harte Arbeit.»

Seine Regierung sei bereit, mit den Partnern in der EU über eine «gerechte und praktikable Lösung» in Bezug auf eine Lockerung der Sparmassnahmen und einen Schuldenschnitt zu verhandeln. Die Troika sei Geschichte, sagte Tsipras. Griechenland werde eigene Reformpläne präsentieren. Dabei wolle die neue Regierung mit den Geldgebern aber an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, ein destruktiver Streit solle verhindert werden.

Ziel sei ein ausgeglichener Haushalt und ein eigenes Konsolidierungsprogramm für das hoch verschuldete Griechenland.

Suche nach Koalitionspartner

Zuerst muss sich Tsipras aber auf die Suche nach einem Koalitionspartner machen. Als stärkste Partei profitiert Syriza aber von einem dem griechischen Wahlsystem eigenen Mechanismus: 250 der 300 Parlamentssitze im Verhältnis der Wählerstimmen vergeben – die letzten 50 Sitze gehen an die stärkste Partei. Je mehr kleine Parteien die Drei-Prozent-Hürde überspringen und es ins Parlament schaffen, desto weniger Stimmen braucht die stärkste Partei.

Bereits am Montagvormittag um 9.30 Uhr trifft Tsipras den Vorsitzenden der Partei der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, zu Koalitionsgesprächen, wie griechische Medien in der Nacht zum Montag berichteten.

Es wird in Athen erwartet, dass Staatschef Karolos Papoulias noch am Montag Tsipras offiziell ein Sondierungsmandat für die Bildung einer Regierung erteilt. Das Linksbündnis hätte dann drei Tage lang Zeit. Sollte Tsipras scheitern, geht das Mandat an die zweitstärkste politische Kraft, die Konservativen der Nea Dimokratia (ND), über.

Samaras akzeptiert «Stimme des Volkes»

Während Syriza jubelt, muss sich die bisherige Regierungspartei Neo Demokratia unter Antonis Samaras mit einer herben Niederlage arrangieren. «Das griechische Volk hat gesprochen und wir akzeptieren seine Entscheidung», sagte der konservative Politiker in Athen in einer kurzen Stellungnahme vor Journalisten.

Er hoffe, die neue Regierung werde nicht die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und in der Währungsunion gefährden. «Ich übergebe ein Land, das Teil der EU und des Euro ist», sagte Samaras. «Zum Wohle des Landes hoffe ich, dass die nächste Regierung das Erreichte bewahren wird.»

Knapp verlief das Rennen um Platz 3. Die proeuropäische Partei der politischen Mitte, To Potami (Der Fluss) und die rechtsradikale Goldene Morgenröte liegen fast gleichauf. So schafft es die erst Anfang 2014 gegründete To Potami laut Hochrechnungen mit 6,1 Prozenten auf 16 Sitze; die Goldene Morgenröte holt mit 6,3 Prozent 17 Sitze. Die bisher mitregierenden Sozialisten (Pasok) landen laut Prognosen abgeschlagen bei 4,7 (13 Sitze).

«Teufelskreis der Sparpolitik ist vorbei»

Tsipras hatte sich schon vor dem Schliessen der Wahllokale siegessicher gegeben. «Der Teufelskreis der Sparpolitik ist vorbei», sagte er heute der BBC.

Seit dem Beginn der Eurokrise schrumpfte die griechische Wirtschaft um rund 25 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei 25 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit laut der BBC gar bei 50 Prozent.

Bereits in den letzten Tagen hatte Tsipras markige Töne angeschlagen. «Am Montag wird die nationale Demütigung vorbei sein», sagte er am Donnerstag an einer Wahlveranstaltung. «Wir werden Schluss machen mit den Befehlen aus dem Ausland.»

Der «Grexit» kommt näher

Als Wahlsieger will Tsipras das harte Sparprogramm lockern und unter anderem Mindestlöhne heben, die finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Familien erhöhen, Privatisierungen stoppen sowie Renten anheben. Zudem sollen Verhandlungen mit den anderen Euro-Ländern aufgenommen werden, um die riesigen Staatsschulden Griechenlands (rund 320 Milliarden Euro) zum Teil erlassen zu bekommen.

Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben Griechenland bisher mit Darlehen in Höhe von rund 240 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Ende Februar läuft das bisherige Rettungsprogramm allerdings aus, Neuverhandlungen stehen an.

Sind diese nicht erfolgreich, könnte Griechenland unter Umständen den Euro-Raum verlassen – bisher hatten die Euro-Länder einen Schuldenschnitt nämlich klar abgelehnt. (eg/sda)

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