Auf dem zentralen Urquinaona-Platz in der katalanischen Regionalhauptstadt sangen die Menschen «Viva España», skandierten «Ich bin Spanier» und schwenkten rot-gelbe Fahnen. Zu der Kundgebung unter dem Motto «Es reicht! Lasst uns zur Vernunft zurückkehren» hatte die Organisation Katalanische Zivilgesellschaft aufgerufen, die die Unabhängigkeitsbestrebungen ablehnt.
Die Menschen forderten lautstark die Festnahme von Regionalregierungschef Carles Puigdemont. Es waren in der grossen Mehrheit Katalanen, viele Teilnehmer waren aber aus anderen Regionen Spaniens in Dutzenden von Bussen und Zügen angereist.
Tosender Jubel brach in der Menge aus, als der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa zum Abschluss der Kundgebung kämpferisch rief: «Keine separatistische Verschwörung wird die spanische Demokratie zerstören können.»
«Spanien wird nicht geteilt»
Bereits am Samstag hatten landesweit Zehntausende Menschen für die Einheit Spaniens demonstriert. In Madrid und Barcelona versammelten sich Befürworter eines Dialogs zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung vor den Rathäusern. Bei einem «patriotischen Marsch» in Madrid für Spaniens Einheit schwenkten die Menschen spanische Flaggen und beschimpften die katalanische Führung.
In einem Interview der Zeitung «El País» wies Ministerpräsident Mariano Rajoy die Aufrufe zum Dialog mit den Separatisten erneut scharf zurück. «Spanien wird nicht geteilt werden und die nationale Einheit wird erhalten bleiben», fügte er hinzu. «Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden gesetzgeberischen Instrumente nutzen, um das sicherzustellen.»
Er halte es auch nicht für ausgeschlossen, Artikel 155 der Verfassung anzuwenden, um Katalonien die Autonomie abzuerkennen. «Ich schliesse nichts innerhalb der Gesetze aus.»
Es war Rajoys erstes Zeitungsinterview seit dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am Sonntag vor einer Woche. Dabei hatten nach Angaben der katalanischen Regionalregierung 90 Prozent der Teilnehmer für eine Abspaltung von Spanien gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 43 Prozent.
Die spanische Zentralregierung hatte mit einem grossen Polizeiaufgebot versucht, das vom Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärte Referendum zu verhindern. Hunderte Menschen wurden verletzt. Madrids verschärfte Gangart hatte in der vergangenen Woche hunderttausende empörte Katalanen auf die Strasse gebracht.
«Es wurden einige Fehler gemacht»
Ende der Woche hatte es dann mögliche Anzeichen einer Entspannung in dem Konflikt gegeben. Am Freitag entschuldigte sich ein Vertreter Madrids für die Polizeigewalt. Auch Rajoy sagte, es seien «einige Fehler gemacht» worden.
Die Krise entzweit das Land und springt zunehmend auf die Wirtschaft über. Banken und Firmen haben angekündigt, ihre Zentralen zu verlegen.
Medienberichten zufolge will Puigdemont am Dienstagabend vor dem Parlament in Barcelona Stellung zur «aktuellen politischen Lage» beziehen. Ob er dabei tatsächlich die Unabhängigkeit ausrufen oder lediglich das weitere Vorgehen seiner Regierung vorstellen will, blieb vorerst offen.
Eine für Montag geplante Parlamentssitzung, bei der die Erklärung der Unabhängigkeit erwartet worden war, war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden und wurde abgesagt. (SDA)
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