Mitten in der Corona-Krise hat Donald Trump (73) einen neuen Feind: die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die wichtige Sonderorganisation der Vereinten Nationen, in der Coronavirus-Pandemie Dreh- und Angelpunkt, ist im Visier des US-Präsidenten.
Am Dienstag drohte er gar mit einem Stopp von Beitragszahlungen. «Wir werden es untersuchen und die Beendigung der Finanzierung prüfen», sagte Trump. Die USA sind der grösste Beitragszahler der WHO – legen die USA ihre Gelder auf Eis, könnte das die in Genf ansässige WHO empfindlich treffen.
Trump ist mächtig sauer. Auf Twitter warf er der WHO bereits vor, es in dieser Pandemie «wirklich vermasselt» zu haben. Bei der Pressekonferenz am Dienstag behauptete er, dass die WHO «wahrscheinlich» zu Beginn der Pandemie mehr gewusst habe, als sie offenlegte. Zudem warf er der WHO vor, zu sehr auf China ausgerichtet zu sein – und das, obwohl die USA einen grossen Teil des WHO-Budgets zahlten. Die Gesundheitsorganisation habe den USA zudem falsche Empfehlungen zu Beginn der Krise gegeben und Trump für Einreisebeschränkungen kritisiert.
WHO lobte Peking für «Transparenz»
Die Vorwürfe sind nicht neu. Als sich das Virus in China ausbreitete und andere Länder erreichte, lobte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus (55) China für seine «Transparenz». Und: Er lobte Peking selbst dann noch, als sich die Beweise erhärteten, dass die chinesische Führung Whistleblower ruhig gestellt und Infektionsfälle verschwiegen hatte.
Für Wirbel sorgte in der vergangenen Woche auch WHO-Epidemiologe Bruce Aylward, der im Februar ein Expertenteam in Wuhan anführte. In einem Interview mit dem Hongkonger TV-Sender RTHK weigerte sich Aylward offensichtlich, Fragen zu Corona-Vorbild Taiwan zu beantworten. Der demokratische Inselstaat sieht sich als unabhängig, China betrachtet ihn jedoch als Teil des eigenen Territoriums. Und nutzt seine diplomatische Macht, um Taiwan von den Corona-Meetings der WHO auszuschliessen. Aylwards Auftritt verstärkte den Eindruck, dass die UN-Organisation China unkritisch gegenübersteht.
Die WHO ist von ihren Mitgliedern abhängig
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Bereits Ende Januar warnte die WHO wegen der steigenden Infektionszahlen in China vor einer «gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite». «In den Wochen danach hat die WHO gebetsmühlenartig Empfehlungen ausgesprochen, Unterstützung angeboten und die Mitgliedstaaten gemahnt, sich rechtzeitig gegen diese Krise zu wappnen. Sicher war nicht alles perfekt, aber bislang macht die WHO insgesamt einen guten Job», sagt Olaf Wientzek, Leiter des Genfer Büros der politischen Konrad-Adenauer-Stiftung, zu BLICK.
Der Grund für das China-Lob sei vielmehr, dass die WHO in solchen Krisen von der Mitarbeit ihrer Mitgliedsstaaten abhängig sei. «Die WHO-Spitze hält sich deshalb generell mit direkter Kritik an den Mitgliedstaaten zurück und äussert sich eher lobend», sagt Wientzek. «Das betrifft nicht nur China, auch wenn das Lob meines Erachtens bisweilen zu überschwänglich war.»
Auch Trump bekam schon ein taktisches Lob
Tatsächlich lobte WHO-Generaldirektor Ghebreyesus auch bereits Trump. Und das zu einem Zeitpunkt, als dieser erst langsam zu begreifen schien, wie ernst die Lage ist. Am 25. März sagte Ghebreyesus, Trump mache einen «grossartigen Job» bei der Nutzung öffentlicher und privater Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie.
Möglicherweise ein taktisches Lob, um den US-Präsidenten auf Linie zu bringen. Ähnlich machen es dessen eigenen Berater. Trumps Corona-Koordinatorin Deborah Birx (64) etwa lobte Trumps Regierung ausdrücklich für ihre «Energie und Effizienz» im Kampf gegen das Virus.
Hätte die WHO etwa auch Peking in der Anfangsphase der Krise kritisiert, hätte die Organisation die Kooperationsbereitschaft Chinas bei der Weitergabe entscheidender Informationen riskiert. «Ohne den guten Willen der Mitgliedstaaten kann die WHO wenig ausrichten», sagt Olaf Wientzek. Doch auch der gute Wille der WHO ist begrenzt. Bereits Ende Januar erklärte die Weltgesundheitsorganisation den internationalen Gesundheitsnotstand – und zwar gegen den Willen Chinas.