Er hatte sich in der Schweiz ein neues Leben aufgebaut, lebte mit seiner Familie in Wädenswil ZH. Ein ganz normales Leben. Doch dann fährt Habte A. nach Frankfurt (D), stösst ein Kind (8) vor einen Zug. Der Bub ist auf der Stelle tot.
Jetzt sitzt der Kindermörder von Frankfurt in Untersuchungshaft, wird rund um die Uhr bewacht. Was A. zu dieser Wahnsinnstat trieb, ist bislang unklar. «Der Beschuldigte hat sich bislang nicht zu einem Motiv geäussert», sagt Oberstaatsanwältin Nadja Niesen zu BLICK.
Aufschluss darüber, was im Kopf von A. vorging, als er ein kleines Kind vor einen Zug stiess, gibt ein Blick in seine Psycho-Akte: A. leidet offenbar an Paranoia.
Glaubte Passagiere und Kollegen könnten Gedanken lesen
Schon Monate vor der Wahnsinnstat liess sein Hausarzt A. an einen Psychologen überweisen. Der Mediziner hatte Anzeichen auf eine psychische Störung mit Wahnbildung festgestellt. Das berichtet der «Tagesanzeiger».
Der 40-Jährige glaubte demnach, dass Zugpassagiere und Arbeitskollegen seine Gedanken lesen könnten, war der Überzeugung manipuliert zu werden. Er hatte Angst, dass sein Leben zerstört werden würde. Und nicht nur das: Er fühlte sich durch Handystrahlen und elektromagnetische Wellen fremdgesteuert.
Trotz dieser Anzeichen warnt der Forensiker Ralph Aschwanden (47) davor, nun voreilige Schlüsse zu ziehen: «Der Fall muss umfassend abgeklärt werden. Ich beobachte in letzter Zeit eine Tendenz, dass psychische Erkrankungen häufig als alleinige Erklärung für Taten hinhalten müssen, die sie aber nicht vollständig erklären.»
«Warum soll er Angst vor einer Mutter und ihrem Kind haben?»
Handystrahlen oder Elektro-Wellen würden den Vorfall in Frankfurt jedenfalls nicht rechtfertigen können. «Warum soll er Angst vor einer Mutter und ihrem Kind haben? Was soll das für eine Drohkulisse sein?», wundert sich Aschwanden.
Demnach begehen Schizophrene oder Wahnhafte ihre Taten bei ihnen bekannten, im Wahn integrierten Personen. Wenn Wildfremde ohne vorhergehende Provokation getötet werden, würden weitere Gründe eine Rolle spielen, vermutet Ralph Aschwanden.
Schizophrenie als Tabu-Thema
Und ergänzt: «Die kulturelle Herkunft und das Menschenbild des Betroffenen darf dabei nie ausgeblendet werden. Gerade Schizophrene werden in afrikanischen Kulturen oft ausgestossen, als böse und verhext angesehen.»
Im Gegenzug würden Betroffene nicht an eine psychische Erkrankung glauben und eine entsprechende «westliche» Behandlung verweigern oder gar andere Wege suchen, um ihr «Verhextsein» durch bestimmtes Verhalten oder Taten wieder loszuwerden.
Fakt ist: In jüngerer Vergangenheit klagte Habte A. gegenüber seinem Umfeld vermehrt über psychische Probleme. Zuletzt fühlte sich der Kindermörder anscheinend nicht mehr in der Lage, weiterhin in der Schweiz zu leben. Im Januar 2019 wurde er an seinem Arbeitsplatz bei den Verkehrsbetrieben Zürich krankgeschrieben.
Habte A. soll Stimmen gehört haben
«Habte liebt Kinder, er hat ja selbst drei. Niemals hätte er ihnen etwas angetan», sagt sein Freund Ghirmay Afeworki gegenüber BLICK. «Das, was er da in Frankfurt gemacht hat, war nicht der Habte, den ich kenne. Irgendwas muss passiert sein in seinem Kopf.»
«Focus» berichtet gar, dass A. auch Stimmen hörte. «Wenn wir irgendwo allein sassen, drehte er sich plötzlich um und sagte: Wer redet da über mich?», schildert ein eritreischer Freund dem Magazin.
Für Forensiker Aschwanden ist diese Entwicklung in seinem Alter eher untypisch: «Schizophrenie-Erkrankungen brechen üblicherweise um das 20. Lebensjahr herum aus. Zumeist sind sensible und sehr zerbrechliche Menschen davon betroffen.»
Flucht ist von besonderem Interesse
Spätere Ausbrüche würden dagegen meist durch Drogenkonsum, insbesondere Cannabis, sehr stressige Ereignisse oder aber hirnorganische Veränderungen verursacht.
Im vorliegenden Fall sei auch das Nachtatverhalten von Habte A. von Interesse. Dieser ergriff nach dem Mord an dem Buben die Flucht. «Er wusste, dass er etwas Schlimmes getan hat. Das spricht eher gegen einen völligen Realitätsverlust», vermutet Aschwanden.
*Name der Redaktion bekannt