Nachdem am späten Sonntagabend das Scheitern nahe schien, verteilten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) und die übrigen Staats- und Regierungchefs erneut in kleinere Gruppen und verhandelten weiter.
Hauptstreitpunkt war dabei immer noch die Frage, wie viele Zuschüsse aus dem geplanten Corona-Krisenplan an EU-Staaten vergeben werden könnten. Ursprünglich lautete der Vorschlag für das Konjunktur- und Investitionsprogramm: ein Gesamtumfang von 750 Milliarden Euro, davon 500 Milliarden an Zuschüssen, die die Empfänger nicht zurückzahlen müssen.
Die Staatengruppe der sogenannten «Sparsamen Vier» - Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande und zudem Finnland wollten aber ursprünglich gar keine Zuschüsse, sondern nur Kredite gewähren. Im Lauf des Sonntags näherten sich die Positionen schrittweise an – ohne jedoch zu einer Lösung zu führen.
Macron haut auf den Tisch
Statt im Kompromiss endete ein Abendessen der Staats- und Regierungschefs am Sonntag in bitteren Vorwürfen. Aus der Delegation eines grossen EU-Staates hiess es um kurz nach Mitternacht, die Gespräche seien noch immer sehr schwierig, weil die «Sparsamen» weiter blockierten. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz (33) höre nicht zu und kümmere sich lieber um Medienarbeit. Zudem instrumentalisiere Kurz zusammen mit den Niederlanden das Thema Rechtsstaatlichkeit, um zu blockieren.
Der französische Präsident Emmanuel Macron (42) habe mit Unterstützung von Merkel schliesslich auf den Tisch gehauen, hiess es. Es gebe nun weiter bilaterale Gespräche. Eine ursprünglich auf 45 Minuten angesetzte Pause des Plenums aller Staaten dehnte sich Stunde um Stunde bis in den frühen Morgen.
Nach Angaben weiterer Diplomaten war unter den «Sparsamen» Gesprächsbereitschaft bei der Frage des Umfangs an Zuschüssen zu erkennen. Es zeichne sich ein Kompromiss ab, der bei 375 Milliarden Euro an Zuschüssen liege, sagte ein Diplomat. Das wurde allerdings aus anderen Quellen wieder dementiert: Die Zahl sei noch nicht Konsens.
Verzweifelter Appell von EU-Ratspräsident
Zuvor hatten die «Sparsamen» laut Diplomaten 350 Milliarden Euro als letztes Angebot ausgerufen, Merkel und Macron wollten nach Angaben von Diplomaten aber nicht unter eine Summe von 400 Milliarden Euro gehen. 22 der 27 Staaten seien bereit, diese Summe mitzutragen.
Das war zwar der umstrittenste Punkt, doch etliche andere Fragen blieben ebenfalls ungeklärt. Die Verhandlungen über den geplanten Rechtsstaatsmechanismus waren einem Diplomaten zufolge zunächst völlig offen. Aus den nächtlichen Einzelgesprächen drang allerdings wenig nach draussen.
Beim Abendessen hatte EU-Ratspräsident Charles Michel (44) mit einem verzweifelt wirkenden Appell versucht, die Staats- und Regierungschefs aufzurütteln und ein Scheitern des Gipfels abzuwenden. Der Belgier verwies auf die zahlreichen Kompromissangebote und Zugeständnisse, die er sei dem Beginn des Treffens am Freitag gemacht hatte. Zudem betonte er mehrfach, dass er allen Gipfelteilnehmern immer mit grösstem Respekt zugehört habe.
Meisterung von «Mission Impossible» zunächst unwahrscheinlich
Er erinnerte an die beispiellose Krise, mit der die EU wegen der Corona-Pandemie konfrontiert sei, aber auch das zu erwartende negative Medien-Echo im Fall eines Scheiterns des Gipfels. Zum Schluss seines Beitrags sagte Michel laut Redetext: «Mein Wunsch ist es, dass wir eine Einigung erzielen, und dass die FT («Financial Times») und andere Zeitungen morgen titeln, dass die EU erfolgreich eine ‹Mission Impossible› gemeistert hat.»
Das Milliardenprogramm gegen die tiefe Rezession als Folge der Pandemie wird bei dem Gipfel im Paket mit dem nächsten siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen für die Jahre bis 2027 verhandelt. Insgesamt geht es um rund 1,8 Billionen Euro. Auch beim Haushalt waren noch etliche Fragen offen, darunter auch der genaue Umfang. Dass beides verquickt ist, macht die Verhandlungen enorm komplex. (SDA)
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Das starke Signal der Einigkeit, das Angela Merkel sich gewünscht hat, wird ausbleiben - ganz egal, wie dieser EU-Sondergipfel in Corona-Krisenzeiten zu Ende geht. Am frühen Montagmorgen, knapp drei Tage nach Beginn der Verhandlungen in Brüssel am Freitag, scheinen die Fronten im Streit um Corona-Hilfen und langfristigen EU-Haushalt noch immer verhärtet. Klar ist nur: Es wird immer noch miteinander gerungen. Das immerhin.
Aber deutlich ist auch: Das geplante Konjunktur- und Investitionsprogramm dürfte deutlich schmaler ausfallen, als von Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewünscht. Wenn es denn überhaupt zustande kommt.
Dass der Gipfel einer der schwersten in der Geschichte der EU werden würde, zeigt sich spätestens am Sonntagabend. Die Stimmung wird Stunde für Stunde angespannter. In einigen Delegationen liegen die Nerven blank. Schuldzuweisungen werden teils sogar mit persönlichen Angriffen auf einzelne Staats- und Regierungschefs verbunden.
In der Nacht gegen 1.30 Uhr twittert Kurz ein Foto, auf dem er gut gelaunt wirkt und mit seinen Kollegen aus Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland zusammensitzt. Man koordiniere die Positionen für die Verhandlungen über die noch ausstehenden Fragen, schreibt Kurz. Auf dem Foto ist eine Schale Kirschen mitten auf dem Tisch zu sehen. Ob der Österreicher damit ein Signal senden will? Dass mit ihm vielleicht doch gut Kirschen essen ist? Viele von den restlichen 22 Staats- und Regierungschefs jenseits der «Sparsamen Vier» würden das wohl zu dieser Zeit eher gerade nicht sagen.
Immerhin: Sollte nach den schwierigen Verhandlungen von Brüssel tatsächlich erstmals eine gemeinsame Schuldenaufnahme stehen, wäre das ein historischer Schritt für die EU - unabhängig davon, dass Merkel und andere klargemacht haben, dass es sich um eine einmalige Aktion handeln soll. Doch auch am frühen Montagmorgen war zunächst noch unklar, ob die Kanzlerin es doch noch schafft, am Ende einen Kompromiss zu schmieden. Als Krisenkanzlerin wird die 66-Jährige von vielen bewundert - und wegen ihrer Zähigkeit und ihres Stehvermögens in durchverhandelten Nächten auch gefürchtet. (SDA)
Das starke Signal der Einigkeit, das Angela Merkel sich gewünscht hat, wird ausbleiben - ganz egal, wie dieser EU-Sondergipfel in Corona-Krisenzeiten zu Ende geht. Am frühen Montagmorgen, knapp drei Tage nach Beginn der Verhandlungen in Brüssel am Freitag, scheinen die Fronten im Streit um Corona-Hilfen und langfristigen EU-Haushalt noch immer verhärtet. Klar ist nur: Es wird immer noch miteinander gerungen. Das immerhin.
Aber deutlich ist auch: Das geplante Konjunktur- und Investitionsprogramm dürfte deutlich schmaler ausfallen, als von Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewünscht. Wenn es denn überhaupt zustande kommt.
Dass der Gipfel einer der schwersten in der Geschichte der EU werden würde, zeigt sich spätestens am Sonntagabend. Die Stimmung wird Stunde für Stunde angespannter. In einigen Delegationen liegen die Nerven blank. Schuldzuweisungen werden teils sogar mit persönlichen Angriffen auf einzelne Staats- und Regierungschefs verbunden.
In der Nacht gegen 1.30 Uhr twittert Kurz ein Foto, auf dem er gut gelaunt wirkt und mit seinen Kollegen aus Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland zusammensitzt. Man koordiniere die Positionen für die Verhandlungen über die noch ausstehenden Fragen, schreibt Kurz. Auf dem Foto ist eine Schale Kirschen mitten auf dem Tisch zu sehen. Ob der Österreicher damit ein Signal senden will? Dass mit ihm vielleicht doch gut Kirschen essen ist? Viele von den restlichen 22 Staats- und Regierungschefs jenseits der «Sparsamen Vier» würden das wohl zu dieser Zeit eher gerade nicht sagen.
Immerhin: Sollte nach den schwierigen Verhandlungen von Brüssel tatsächlich erstmals eine gemeinsame Schuldenaufnahme stehen, wäre das ein historischer Schritt für die EU - unabhängig davon, dass Merkel und andere klargemacht haben, dass es sich um eine einmalige Aktion handeln soll. Doch auch am frühen Montagmorgen war zunächst noch unklar, ob die Kanzlerin es doch noch schafft, am Ende einen Kompromiss zu schmieden. Als Krisenkanzlerin wird die 66-Jährige von vielen bewundert - und wegen ihrer Zähigkeit und ihres Stehvermögens in durchverhandelten Nächten auch gefürchtet. (SDA)