Das Dach von Notre-Dame ist nicht mehr da, der Mittelturm fehlt ganz, der Innenraum liegt voller Trümmer. Die ersten Fotos von der 800 Jahre alten Kathedrale – oder dem, was davon übrig ist – sind erschütternd.
Die Grande Nation steht nach dem verheerenden Brand unter Schock. Da kommt Emmanuel Macrons Versprechen gerade recht: «Ich werde alle Kräfte mobilisieren, damit wir Notre-Dame noch schöner machen können, als sie war.» Und das sogar schon «in den nächsten fünf Jahren». Das sagte Frankreichs Staatspräsident, als er sich am Dienstagabend an die Öffentlichkeit wandte.
Das ist Balsam auf der geschundenen Volksseele, die durch die Zerstörung eines der wichtigsten Wahrzeichen der Hauptstadt ordentlich gelitten hat. Doch ist der Zeitraum auch realistisch?
Für BLICK analysieren drei Experten Macrons vollmundiges Versprechen.
Mindestens drei Jahre allein für das Gewölbe
«Fünf Jahre sind ein politisches Statement», stellt Manfred Curbach klar. Der Professor für Massivbau an der TU Dresden war Mitglied im Bauausschuss der Dresdner Frauenkirche, die im Zweiten Weltkrieg durch Brandbomben zerstört und 2005 wiedereröffnet wurde.
Zehn bis 15 Jahre – eher 15, schätzt Curbach, werde der Wiederaufbau der Notre-Dame dauern. Als erster Schritt müsse die Kirche durch ein Notdach vor weiteren Schäden geschützt werden, erst danach geht es an die Schadensaufnahme.
Mindestens drei Jahre dauere es, bis das Gewölbe wieder stehe. Denn: Für die Hilfskonstruktion müssen zuerst diese Steinschäden analysiert werden. Denn wie bei der Frauenkirche in Dresden sei auch bei der Notre-Dame die Frage, wie heiss die Steine geworden sind: «Stein wird von aussen sehr heiss, bleibt aber innen kalt. Dieser Temperaturunterschied führt zu einer extremen Spannung, dadurch kann der ganze Stein zerspringen. In der Frauenkirche sind so ganze Säulen eingestürzt.»
Wiederaufbau braucht Spezialisten
Auch Martin Ostermann von der Universität Stuttgart hält Macrons Versprechen für verfrüht. «Um den Zeitplan und Aufwand für den Wiederaufbau einschätzen zu können, muss zunächst eine Bestandsaufnahme des Zustandes gemacht werden», sagt der Professor für Baukonstruktion. «Im Moment wissen wir nicht, wie gross oder komplex das Projekt des Wiederaufbaus ist und wie viel Spezialwissen benötigt wird.»
Doch der Experte ist auch optimistisch: Fünf Jahre seien für grössere Bauprojekte nicht unrealistisch. Im Fall von Notre-Dame kommt allerdings ein Hindernis dazu: Die Kathedrale ist denkmalgeschützt. Da ist nicht nur Anpacken gefragt, sondern viel Handarbeit und Spezialwissen.
Einen hoffnungsfrohen Vergleich kann Ostermann ziehen: Schloss Windsor in England. Das wurde 1992 ebenfalls durch ein Feuer zerstört. «Es handelt sich hierbei um ein ähnlich altes Gebäude, das als wichtiges Kulturgut hohe Qualität im Wiederaufbau erforderte», erklärt der Experte. «Der Wiederaufbau gelang erstaunlicherweise genau in fünf Jahren.» Der Rückzugsort der Queen wurde 1997 wiedereröffnet.
Ruine könnte schon bald begehbar sein
ETH-Professor Stefan Holzer, der für BLICK bereits den Wiederaufbau analysierte, hält Macrons Fünf-Jahres-Plan eher für ein plakatives Versprechen. Allerdings: «Begehbar wird Notre-Dame hoffentlich schneller sein!»
Haben Sie die Kathedrale auch schon besucht? Woran erinnern Sie sich noch heute? Erzählen Sie uns von Ihrem Erlebnis.
Haben Sie die Kathedrale auch schon besucht? Woran erinnern Sie sich noch heute? Erzählen Sie uns von Ihrem Erlebnis.
Eine Kathedrale sei schliesslich eh eine Dauerbaustelle, die laufend erhalten und geprüft werde. Ab wann Notre-Dame wieder benutzbar ist, sei eine Frage des Schadensausmasses.
Doch damit der Schaden überhaupt behoben werden kann, muss die Sicherheit der Bauarbeiter und Restaurateure, die in der Ruine arbeiten, schnellstmöglich sichergestellt werden. «Und das dauert hoffentlich nur ein paar Monate oder Wochen.»
Sobald das Gerüst steht und alles gesichert ist, sei die Kathedrale grundsätzlich wieder betretbar, erklärt Holzer. «Im Dezember wäre sogar schon ein Weihnachtsgottesdienst realistisch – allerdings vermutlich nicht in dem Ambiente, das man möchte.»
Alle aktuellen Informationen rund um den Brand im Notre-Dame gibt es im Ticker.
Die Brandkatastrophe lässt auch Frankreichs Geldadel nicht kalt. Für den Wiederaufbau der Notre-Dame standen gestern schon erste Grossspenden fest: Die Familie des französischen Unternehmers und Milliardärs Bernard Arnault kündigte über dessen Luxusgüter-Konzern LVMH (Louis Vuitton) an, sich mit 200 Millionen Euro an der Rekonstruktion beteiligen zu wollen. Zuvor hatte die französische Milliardärsfamilie Pinault (Gucci) bereits 100 Millionen Euro versprochen. Auch der Ölkonzern Total lässt 100 Millionen Euro springen. Dazu kommen 200 Millionen der Familie Bettencourt, die mit dem Kosmetikunternehmen L'Oréal reich wurde.
Die Brandkatastrophe lässt auch Frankreichs Geldadel nicht kalt. Für den Wiederaufbau der Notre-Dame standen gestern schon erste Grossspenden fest: Die Familie des französischen Unternehmers und Milliardärs Bernard Arnault kündigte über dessen Luxusgüter-Konzern LVMH (Louis Vuitton) an, sich mit 200 Millionen Euro an der Rekonstruktion beteiligen zu wollen. Zuvor hatte die französische Milliardärsfamilie Pinault (Gucci) bereits 100 Millionen Euro versprochen. Auch der Ölkonzern Total lässt 100 Millionen Euro springen. Dazu kommen 200 Millionen der Familie Bettencourt, die mit dem Kosmetikunternehmen L'Oréal reich wurde.