Trotz erneuter Strassenschlachten
Volkskongress billigt Pläne für kontroverses Gesetz in Hongkong

Im Streit um ein umstrittenes Gesetz wurden Hongkongs Strassen am Mittwoch erneut zur Kampfzone.
Publiziert: 27.05.2020 um 10:59 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2020 um 09:22 Uhr
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«Fünf Forderungen, nicht eine weniger», sagen die wütenden Hongkonger mit diesem Zeichen.
Foto: AFP

Die Szenen, die Videos auf Twitter zeigen, sind brutal. Polizisten jagen die Menschen mit Tränengas und Pfefferstaub-Munition regelrecht durch die Innenstadt. Panisch rennen die um ihr Leben. Deeskalation? Fehlanzeige.

Die Behörden wollen offenbar nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie ein erneutes Aufflammen der letztjährigen Proteste gegen China nicht dulden. Denn die entzünden sich nach dem Lockdown gerade an einem neuen Streitpunkt: Pekings Pläne für Sicherheitsgesetze, die sich gegen subversive und separatistische Aktivitäten in Hongkong richten.

15 Demonstranten verhaftet

Vor dem Hintergrund einer Parlamentssitzung über das umstrittene Gesetz gegen den Missbrauch der chinesischen Nationalhymne hat Hongkongs Polizei sich am Mittwoch auf neue Proteste vorbereitet. Mit einem Grossaufgebot sicherten Einsatzkräfte die Strassen rund um den Hongkonger Legislativrat ab, wo die zweite Lesung für das Gesetz geplant war.

15 Demonstranten, von denen drei Brandsätze bei sich getragen haben sollen, wurden von der Polizei festgenommen, wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtete. Vereinzelt störten Demonstranten auch den Berufsverkehr. Grosse Proteste, zu denen am Vorabend in sozialen Netzwerken aufgerufen wurde, blieben am Morgen aber zunächst aus.

Was bedeutet das Fingerzeichen der Demonstranten?

Viele der Protestierenden halten ihre Hände hoch. Mit einer Hand zeigen sie einen Finger, mit der anderen alle fünf. Die Bedeutung liest sich wie bei der traditionellen Schriftsprache von rechts nach links: «Five demands, not one less!» – «Fünf Forderungen, nicht eine weniger!»

Die unzufriedenen Hongkonger wollen:

  • dass ihre Proteste nicht als «Krawall» bezeichnet werden

  • Amnestie für verhaftete Demonstranten

  • eine unabhängige Untersuchung zum brutalen Vorgehen der Polizei

  • die Einführung eines vollständigen allgemeinen Wahlrechts

Einen Erfolg haben die Demonstranten nach den letztjährigen Massenproteste bereits verbucht: Die fünfte Forderung, die Rücknahme einer Gesetzesvorlage zur Auslieferung von Häftlingen nach China, ist bereits erfüllt.

Corona brachte Massenproteste zum Stillstand

Die Proteste, die Hongkong seit vergangenen Sommer erschüttern, waren in den vergangenen Wochen leiser geworden. Erst das überraschende Vorhaben der kommunistischen Führung für neue «Sicherheitsgesetze» hatte die Atmosphäre neu angeheizt. Der seit Freitag tagende Volkskongress soll zum Abschluss seiner Plenarsitzung am Donnerstag einen Beschluss verabschieden, der dem Ständigen Ausschuss des Parlaments einen Auftrag zum Erlass eines Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit gibt, das Hongkongs Grundgesetz angehängt werden soll.

Bei dem Gesetz, das am Mittwoch vom Hongkonger Parlament in der zweiten Lesung besprochen werden sollte, geht es dagegen darum, einen Missbrauch der chinesischen Nationalhymne in China unter Strafe zu stellen. Der Gesetzentwurf, der bereits im vergangenen Jahr vorgelegt worden war, sieht vor, dass Beleidigungen oder der Einsatz der Hymne «Marsch der Freiwilligen» für kommerzielle Zwecke künftig mit bis zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 50'000 Hongkong-Dollar (etwa 6200 Franken) geahndet werden können.

Seit der Rückgabe an China 1997 wird Hongkong als eigenes Territorium nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» autonom regiert. Seit vergangenem Sommer erlebt die Metropole Woche für Woche Demonstrationen, die sich gegen die eigene Regierung, als brutal empfundene Einsätze der Polizei und den langen Arm Pekings richten. Erst die Pandemie hatte die Proteste zum Stillstand gebracht. (kin/SDA)


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