Brief von Erdogan sorgt für Aufregung – echt oder Fake?
«Wir entsandten Tausende von Religionsgelehrten»

Zehn Tage vor den Wahlen hat der türkische Präsident Erdogan Briefe an Wähler im Ausland verschickt. Darin gibt er zu, dass er die Verbreitung des Islams aktiv fördert. Ein Fake?
Publiziert: 14.06.2018 um 08:53 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:34 Uhr
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Präsident Erdogan: Am 24. Juni möchte er wiedergewählt werden.
Foto: Getty Images
Guido Felder

Gegner von Recep Tayyip Erdogan (64) kochen vor Wut: Weil in gewissen Ländern Wahlkampfauftritte verboten sind, schickt der türkische Präsident nun Briefe an seine im Ausland lebenden Staatsbürger. Im Schreiben fordert Erdogan seine Landsleute nicht nur als Staatspräsident, sondern auch als Chef der Partei AKP auf, wählen zu gehen: «Es geht um die Zukunft der Türkei.»

In Österreich wurde der Brief offenbar im grossen Stil verteilt – sogar an Schulen, mit der Aufforderung, ihn an die Schüler weiterzugeben. Der Wiener FPÖ-Landespartei- und Parlaments-Klubobmann Johann Gudenus (41) spricht von einem «unfassbaren Skandal». Erdogan halte Österreich wohl für eine Provinz der Türkei.

Brief in Österreich gestoppt

Der Brief, den Erdogan in diesen Tagen verschickt hat.
Foto: zvg

Zu reden gibt vor allem ein Satz, in dem Erdogan zugibt, dass er die Verbreitung des Islams aktiv fördert: «Damit unsere Kinder ihre Muttersprache, ihre Religion und ihre Kultur lernen können, haben wir Tausende Lehrkräfte und Religionsgelehrte ins Ausland entsandt.»

Genau diese Vermischung von Politik und Religion sowie das Entstehen von Parallelgesellschaften will ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz (31) unterbinden. Er hat daher vor wenigen Tagen angekündigt, Moscheen zu schliessen und vom Ausland finanzierte Imame auszuweisen.

Die Behörden in Wien haben inzwischen verboten, den Brief an die Schüler weiterzugeben.

Wahlen am 24. Juni

Auch Schweiz-Türken haben den Brief erhalten. Einer, der anonym bleiben will und die Opposition wählen wird, sagt zu BLICK: «Das ist eine massive Frechheit!» Man merke, dass Erdogan nervös sei und nun voll die Islamophobie-Karte ausspiele, um unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. «Leider hat die Opposition das Geld für solche Aktionen nicht.»

Inzwischen zieht man aber in Betracht, dass der Brief Fake sein könnte. Der österreichische Bildungsminister Heinz Fassmann (62, ÖVP) zweifelt an der Echtheit dieser Briefe. Er sei «kritisch und skeptisch» und werde die Schreiben überprüfen.

Der Schweiz-Türke aber ist überzeugt und sagt gegenüber BLICK: «Es ist kein Fake. Es ist nicht das erste Mal, dass ein solcher Brief verschickt wird.»

Am 24. Juni wählen die Türken ihren Präsidenten und das Parlament. Vom 15. bis 19. Juni können auch die Türken in der Schweiz in Bern, Zürich und Genf ihre Stimme abgeben. Es wird eine hohe Wahlbeteiligung erwartet. Der Schweiz-Türke: «Die Parteien organisieren Busfahrten für zehn Franken zu den Wahllokalen.»

Sind die Briefe echt oder Fake? Wie viele Briefe hat Erdogan weltweit verschickt? Wie viele in der Schweiz? Die türkische Botschaft in Bern reagierte nicht auf Anfragen von BLICK. 

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