Matteo Salvini (46) ist wütend, sehr wütend. «Sbruffoncella», zetert er in einer Liveschaltung auf Facebook, «kleine Angeberin». Die Attacke des italienischen Innenministers richtet sich gegen die deutsche Kapitänin Carola Rackete (31).
Die Bezeichnung wird benutzt, um vermeintlich naive junge Frauen zu beleidigen. Und genau das ist Rackete in Salvinis Augen: naiv.
Am Mittwoch fuhr die Kapitänin in italienische Gewässer. An Bord ihrer Sea-Watch 3: 42 Flüchtlinge. Das ist laut einem neuen Gesetz verboten. Bis zu 50'000 Euro Strafe drohen Rackete nun dafür, das Schiff kann beschlagnahmt werden. Das neue Gesetz ist quasi das Herzstück von Salvinis Anti-Flüchtlings-Politik.
Die Kapitänin ist bereit, die Konsequenzen zu tragen. «Ich habe beschlossen, in den Hafen von Lampedusa einzufahren. Ich weiss, was ich riskiere, aber die 42 Geretteten sind erschöpft», erklärte Rackete am Mittwoch. Wenige Meilen vor dem Hafen der südlichsten Insel Italiens wurde das Schiff von der Guardia di Finanza gestoppt.
Gericht gibt Salvini recht
Rackete engagiert sich bei der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch. Als Kapitänin der «Sea-Watch 3» hat sie am 12. Juni vor der Küste Libyens 53 Menschen von einem Schlauchboot gerettet. Elf von ihnen, darunter schwangere Frauen und Kinder, durften am Samstag in Lampedusa von Bord gehen.
Italiens Innenminister Matteo Salvini bekräftigte am Donnerstag, das Schiff dürfe nicht in Italien anlegen. Rückendeckung bekommt er von oberster Stelle: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat einem Eilantrag des Rettungsschiffs, in Italien anlegen zu dürfen, eine Absage erteilt – weil es keine akut gefährdeten Menschen mehr an Bord gebe.
Rettungsschiff ist nach wie vor in italienischen Gewässern
Doch die Hilfsorganisation will nicht warten, bis aus allen der Geflüchteten medizinische Notfälle werden. Und Kapitänin Rackete weigert sich, die verbleibenden Flüchtlinge zurück nach Libyen zu bringen. Die aus der Seenot geretteten Menschen seien dort nicht in Sicherheit. Mit dem Rettungsschiff treibt Rackete darum nach wie vor in italienischen Hoheitsgewässern – mit Kurs auf Lampedusa.
Das bringt Italiens starken Mann mächtig auf die Palme. «Wenn du an einem Kontrollpunkt angehalten wirst, verlangsamst du, stellst den Motor ab und hältst an», schreibt Salvini auf Facebook. «Wenn du weiterfährst, wirst du angehalten und verhaftet. Auf See ist das Gesetz nicht anders.»
Sea-Watch hofft auf Lösung vor Wochenende
Die Lage an Bord sei angespannt, sagt Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer zu BLICK. Nach einer medizinischen Evakuierung Mitte der Woche seien es mittlerweile nur noch 40 Flüchtlinge an Bord. Per Videokonferenz berichtet Kapitänin Rackete am Freitagmorgen vor Journalisten, dass viele der Geretteten schwer traumatisiert seien. Und: Noch immer befinden sich Minderjährige an Bord.
Die Crew der «Sea-Watch 3» spielt auf Zeit. «Das Problem wird sich noch vor dem Wochenende lösen», sagt Sprecher Neugebauer. Mehrere europäische Länder zeigten mittlerweile Bereitschaft, die aus Seenot geretteten Menschen aufzunehmen.