Jetzt führt auch Schweden lokale Lockdows ein
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Durchseuchung gescheitert:Schweden führt lokale Lockdowns ein

Keine Herdenimmunität
Schweden gibt grünes Licht für lokale Lockdowns

Schweden ändert seinen Kurs in der Corona-Bekämpfung. Ab kommender Woche sind regionale Behörden zu lokalen Lockdowns ermächtigt. Hoffnungen auf Herdenimmunität haben sich zerschlagen. Die Behörden erkennen, dass die Durchseuchungsstrategie nicht funktionierte.
Publiziert: 18.10.2020 um 00:29 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 14:36 Uhr
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Schwedens Chefepidemiologe Anders Tegnell räumt ein, dass das Land keine Herdenimmunität erreicht hat.
Foto: imago images

Schweden ist nicht länger der Ausnahmefall, der allein auf Empfehlungen der Behörden und Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung setzt. Erstmals seit Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie verschärfen die Skandinavier jetzt ihre Strategie, um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Regierung plant, regionale Behörden zu lokalen Lockdowns zu ermächtigen.

Das Land hat es bislang weitgehend vermieden, seinen Bürgern strenge Covid-19-Regeln aufzuerlegen. Doch jetzt verschärft das Land die Massnahmen, um einen weiteren Anstieg von Infektionen abzuwehren. Das schwedische Gesundheitministerium wird kommende Woche mit Regionen zusammenarbeiten, um lokale Beschränkungen einzuführen. Das berichtet der Schweden-Korrespondent der britischen «The Telegraph».

Dr. Joacim Rocklöv (40), Professor für Epidemiologie an der Universität Umeå, wird mit den Worten zitiert, die neuen Massnahmen zeigen, dass Schweden stillschweigend seine Strategie ändert: «Es ist sehr offensichtlich, dass es sich um eine neue Strategie handelt, aber die Zeitungen berichten immer noch über die schwedische Strategie, als ob sie im März festgelegt worden wäre.»

Doch keine Herdenimmunität

Offenbar, so Rocklöv, sei auch die schwedische Regierung nicht länger von der Durchseuchungsstrategie überzeugt. Die Bevölkerung habe keine Immunität erreicht. Die Behörden, sagt der Professor, «müssen nach all diesen starken Behauptungen, dass wir uns im April und Mai der Immunität näherten, schockiert sein. Sie müssen erkannt haben, dass dies nicht wirklich der Fall ist.»

Schwedens Chefepidemiologe Anders Tegnell (64) räumte diese Woche ein, dass die Rückkehr von Infektionen im Herbst die Strategie seiner Behörde verändert habe: «Ich denke, die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass das Mass an Immunität überhaupt nicht so hoch ist, wie wir vielleicht geglaubt haben.»

Der Ausnahmefall Schweden ändert sich damit zum europäischen Normalfall. Am Freitag wurden 65 Fälle pro Million Menschen gemeldet. Die Nachbarn Dänemark, Finnland und Norwegen weisen Zahlen von 71, 40 und 25 Fällen auf.

Massnahmen «zwischen Vorschriften und Empfehlungen»

Die am Montag in Kraft tretenden Massnahmen ermächtigen die regionalen Gesundheitsbehörden, Bürgern den Besuch von Einkaufszentren, Museen, Bibliotheken, Sportanlagen und Kulturveranstaltungen zu untersagen. Ferner können ältere Menschen je nach Region dazu aufgefordert werden, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden und andere Personen in Risikogruppen nicht zu besuchen.

Die Behörden nennen dies lokale Sperrzonen - die insbesondere auch in Uppsala in der Nähe von Stockholm eingeführt werden sollen. Die Zahl der Infektionen hat sich in der rund 170'000 Einwohner zählenden Stadt in den letzten Wochen verzehnfacht. Auch landesweit ist die Zahl der Neuerkrankungen seit Anfang September beständig gestiegen.

Die von Schweden neu ergriffenen Massnahmen werden noch immer nicht so strikt sein wie in anderen europäischen Ländern, wo Nichtbefolgung mit Bussen geahndet wird. Bitte Bråstad, Chefjuristin von Schwedens Gesundheitsamt, nennt die neuen Regeln «etwas zwischen Vorschriften und Empfehlungen». Es handle sich um die stärkste Empfehlung, die die Behörden aussprechen können, führen bei Nichteinhaltung jedoch nicht zu Strafen. (kes)

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