Es war eng. Erst im Lauf vom Montagvormittag war klar: Amtsinhaber Andrzej Duda (48) gewinnt das Kopf-an-Kopf-Rennen in der polnischen Präsidenten-Stichwahl gegen seinen liberalen Rivalen Rafal Trzaskowski (48).
Nach Auszählung von 99,97 Prozent der Wahlkreise habe Duda 51,1 Prozent der Stimmen erhalten, Trzaskowski knapp 48,9 Prozent, teilte die staatliche Wahlkommission mit.
Feiern kann Duda nicht. Nur in sechs der 16 Provinzen gewann er – dort dann allerdings deutlich. Das knappe Wahlergebnis ist Sinnbild für eine gespaltene Gesellschaft. Je älter, konservativer und ländlicher wohnhaft, desto mehr halten Polen an Duda fest. Je liberaler, jünger und gebildeter, desto eher stimmten sie für seinen Rivalen.
Drei Erkenntnisse aus der Präsidentschaftswahl:
1. Jung gegen Alt
Die jungen Polen haben Dudas autokratischen Kurs satt. Zu rund 64 Prozent sprachen sich die unter 30-Jährigen für den glühenden Europäer Trzaskowski aus. Erst bei den über 50-Jährigen holt Duda auf.
2. Stadt gegen Land
Duda punktet auf dem Land und in den katholisch geprägten Regionen. In allen elf polnischen Grossstädten mit mehr als 250'000 Einwohnern lag Trzaskowski klar vorn. In Warschau holte er etwa zwei Drittel der Stimmen – dort lag Duda 2015 noch bei 40 Prozent.
3. West gegen Ost
Noch immer verläuft eine kulturelle Grenze zwischen den ehemals russischen und preussischen Gebieten, die nach dem Ersten Weltkrieg das Land formten. «Polen A» und «Polen B» wird diese bei allen Wahlen gut sichtbare Gebietstrennung auch vereinfacht genannt (s. Grafik).
Der Jurist Duda, der der nationalkonservativen Regierungspartei PiS nahesteht, profitiert von dieser Spaltung. Im Wahlkampf holte er vor allem antideutsche Ressentiments aus der Mottenkiste, machte Stimmung gegen sexuelle Minderheiten.
Nach einem harten Wahlkampf gab er sich am Wahlabend ungewohnt tolerant. Für eine Friedensbotschaft schickte er seine Tochter Kinga (25) ans Mikrofon. Ihr Appell: Niemand solle sich in Polen fürchten müssen, sein Haus zu verlassen. «Denn unabhängig davon, an was wir glauben, welche Hautfarbe und welche Ansichten wir haben, wen wir politisch unterstützen und wen wir lieben: Wir sind alle gleich und haben alle Respekt verdient.»
Die Verlierer sind LGBT-Menschen und die EU
Dudas Kurs sieht anders aus. Was Polen in der Corona-Krise durch strikte Ausgangssperren und schnelle Grenzschliessungen vor einer Katastrophe bewahrte, verhindert an anderer Stelle den Fortschritt. «Andrzej Duda hat sehr klar gemacht, dass er für LGBT-Menschen die Hölle vorbereitet», sagt Judy Dempsey vom Thinktank Carnegie Europe.
Mit Deutschland und der Europäischen Union steht Duda praktisch auf Kriegsfuss. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben. Warschau zeigte sich allerdings wenig einsichtig – auch nicht nach Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof.
Im besten Fall bedeutet Dudas zweite Amtszeit für Polen, dass nichts schlechter wird. Aber eben auch nichts besser.