Es war einmal … eine junge, wilde Partei, die mit kruden rechtspopulistischen Sprüchen und Fake News in Deutschland reüssierte. Einerlei, ob es gegen den Euro, die Homo-Ehe oder den «Flüchtlingstsunami» ging: Gezielt übertrat die Partei alle Grenzen der politischen Korrektheit.
Anfangs belächelt, verbreitete die selbst ernannte «Alternative für Deutschland» (AfD) schnell Angst und Schrecken. Hohe zweistellige Wahlergebnisse in einer Reihe von Bundesländern schienen ein weit verbreitetes Unbehagen in der Gesellschaft zu belegen. Ein neuer, kraftvoller Stein im Mosaik der europäischen Rechtspopulisten?
Für eine «Deutschland zuerst»-Politik reicht es nicht
Gemach! Vorbei sind die grossspurigen Töne, man werde am 24. September sogar die Sozialdemokraten überholen. Wenn die jüngsten Umfragen stimmen, dann hätte es die AfD mit etwa zehn Prozent zwar aus dem Stand zur drittstärksten Fraktion im Bundestag gebracht. Das wäre ein beachtliches Ergebnis – aber bei weitem nicht genug für den Traum einer rechtsnationalen «Deutschland zuerst»-Politik in Berlin.
Nicht, dass die AfD auf die falschen Themen gesetzt hätte. Das Unbehagen über die Zahl der Migranten und Geflüchteten? Ungebrochen wie der Zorn der Globalisierungsverlierer auf die «Eliten» in Berlin und Brüssel. Weiter wird an den Stammtischen über die «links-versiffte» Republik und die Homo-Ehe gepöbelt.
Nein, es ist die AfD-Spitze selbst, die ihre Partei um den Erfolg gebracht hat. Zum Beispiel, wenn es um das altmodische und im Parteiprogramm verankerte Geschlechterbild und die Ehe geht.
Frauke Petry in Bedrängnis
Die Noch-Co-Vorsitzende Frauke Petry etwa verliess für die Politik den ihr angetrauten Pastor und die gemeinsamen Kinder, tat sich mit dem Parteifreund Marcus Pretzell zusammen und tingelt jetzt mit dem gemeinsamen Kind durch den Wahlkampf. Und gerade erst hob der sächsische Landtag ihre Immunität auf: Frau Petry soll einen Meineid geleistet haben.
Oder: Die Spitzenkandidatin Alice Weidel beklagt den Wertezerfall des christlichen Abendlands, beschwört die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau – und liebt eine in Biel BE lebende Mutter zweier Kinder.
Eine national ausgerichtete Partei der bürgerlichen Mitte will die AfD sein – und leistet sich eine Beatrix von Storch, die nach trumpschem Vorbild lügt und unbewaffnete Frauen und Kinder an der Grenze notfalls auch mit Schnellfeuergewehren aufhalten will.
Kaum verkappter Nazi macht Anleihen bei Hitler
Dann wären da noch kaum verkappte Nazis wie Björn Höcke aus Thüringen, der das Berliner Holocaust-Mahnmal als «Denkmal der Schande» bezeichnet und sich zur Beschreibung Farbiger bei Hitlers Rassenlehre bedient.
Macht nichts, sagt der 76-jährige Alexander Gauland, der den Parteiausschluss von Nazifreund Höcke und anderen Extremisten verhindert. Jede Wählerstimme zählt – und sei sie auch noch so braun!
Diese und andere mehr oder weniger appetitlichen AfD-Granden haben über Monate hinweg gestritten. Um die ideologische Ausrichtung der Partei. Um Titel, Posten und Macht. Laut, unflätig und öffentlich. Transparenz hatten sie versprochen und stattdessen alles zur Verschleierung ihrer Spendenquellen getan. Sie haben schamlos getrickst und gelogen.
Das ist nicht die Alternative, von der so mancher gutbürgerliche und von den Volksparteien enttäuschte Wähler geträumt hat. Wenn die Prognosen stimmen, wird der Jubel bei der AfD am 24. September verhaltener sein als erwartet.