Der deutsche SPD-Politiker Thilo Sarrazin (73) hat wieder zugeschlagen. Mit seinem neuen Buch «Feindliche Übernahme» sorgt er für grossen Wirbel. Im BLICK-Interview von gestern sagte er klipp und klar: «Der Islam ist eine Gefahr für die westliche Welt.»
Seine Partei ist – wie schon nach seinem ersten provokativen Buch «Deutschland schafft sich ab» – entsetzt. Die SPD-Spitze hat ihn aufgefordert, jetzt endlich aus der Partei auszutreten. Das aber will Sarrazin, einst Berliner Finanzsenator, partout nicht. Er sei seit 45 Jahren Mitglied der SPD. Im Jahr seines Parteibeitritts habe SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (†78) den «umfassenden Zuzugsstopp für Gastarbeiter» erlassen, sagte Sarrazin gestern an der Präsentation seines Buches. Auch SPD-Kanzler Helmut Schmidt (†96) habe sich «wiederholt über die kulturellen Gefahren muslimischer Einwanderung ausgelassen».
Sarrazins Aussagen im Buch und im BLICK-Interview sind provokant. Aber stimmen sie auch? Ein Fakten-Check.
Sarrazin sagt: Muslime werden in Europa zur Mehrheit.
In der Schweiz hat der Anteil Muslime von 2000 bis 2016 von 3,6 auf 5,2 Prozent zugenommen. Eine Studie des amerikanischen Forschungsinstituts Pew Research Center rechnet bis 2050 für die Schweiz mit einem maximalen Muslim-Anteil von 12,9 und für Deutschland knapp 20 Prozent. Das wäre deutlich mehr, aber bei weitem keine Mehrheit. Haben muslimische Frauen denn nicht mehr Kinder? Reinhard Schulze (65), Direktor Forum Islam und Naher Osten an der Uni Bern: «Das ist eine verschwörungstheoretische Aussage, die der Realität nicht standhält. So liegt die Geburtenrate in den arabischen Ländern derzeit im Schnitt bei 1,6 Kindern pro Frau – und damit etwa gleich hoch wie in Europa.»
Sarrazin sagt: Es gibt kein muslimisches Land mit Meinungsfreiheit und vollwertiger Demokratie.
Die Menschenrechtsplattform Humanrights.ch hält fest: «Die Religion stellt in den islamischen Ländern ein grundsätzliches Problem für die Meinungsäusserungsfreiheit dar.» Bei der Pressefreiheit liegen viele islamische Länder laut Reporter ohne Grenzen auf den hinteren Plätzen.
Sarrazin sagt: Muslime unterdrücken Nichtgläubige.
Angriffe auf Kirchen und andere nichtislamische Einrichtungen zeigen: In mehrheitlich muslimischen Ländern werden Anders- oder Nichtgläubige immer wieder unterdrückt. Auch im Ferienland Ägypten gab es 2017 sogar eine grossangelegte Polizeikampagne gegen Atheisten. Hansjörg Schmid (46), Geschäftsführender Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Uni Freiburg, hält aber fest: «In der Schweiz und Europa engagieren sich viele muslimische Gruppen im interreligiösen Dialog und betrachten Angehörige anderer Religionen als positiv.»
Sarrazin sagt: Muslime sind krimineller als andere religiöse Gruppen.
Anfang Jahr waren in Deutschland laut einer Erhebung von «Huffington Post» 12’300 der insgesamt etwa 65’000 Häftlinge Muslime – also jeder fünfte. Experten erklären das mit schlechter Integration, mangelnder Bildung, aber auch damit, dass Ausländer Straftaten begehen können, die Deutsche nicht begehen können (etwa gegen Einreisebestimmungen). «Man darf nicht alles auf die Religion schieben, soziale Faktoren spielen hier eine sehr wichtige Rolle», sagt Islam-Forscher Schmid. Er betont: «Kriminalität steht im Widerspruch zu den religiösen Geboten des Islams.» Interessanterweise hat das deutsche Bundeskriminalamt festgestellt, dass Zuwanderer aus Kriegsländern wie Syrien oder Afghanistan seltener straffällig werden als Zuwanderer aus friedlicheren Ländern wie Marokko, Algerien oder Tunesien.
Sarrazin sagt: Sie integrieren sich nicht. Und wenn sich einer integriert, bleibt er nicht mehr lange Muslim.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung stellte 2017 fest, dass die Integration muslimischer Secondos starke Fortschritte macht. Bei 73 Prozent von ihnen ist Deutsch die Erstsprache. 84 Prozent verbringen ihre Freizeit regelmässig mit Nicht-Muslimen. Insgesamt zeige sich aber, dass hochreligiöse Muslime grosse Nachteile auf dem Arbeitsmarkt haben. Schmid: «Religion kann Integration erschweren, aber umgekehrt auch Menschen dazu motivieren, sich stark für das Allgemeinwohl zu engagieren.» Schmid stellt fest: «Es gibt inzwischen viele gut integrierte und beruflich erfolgreiche Muslime.»
Sarrazin sagt: Die Frau ist in abhängiger und minderer Stellung.
Nicht nur in konservativen islamischen Staaten hat eine Frau weniger Rechte und Ansehen als ein Mann. Auch in der Schweiz haben es weibliche Autoritätspersonen bei Begegnungen mit konservativen Muslimen oft schwer, sich zu behaupten, so etwa Lehrerinnen oder Polizistinnen. Schmid erklärt: «Geschlechterrollen haben sich in den letzten hundert Jahren stark gewandelt. Religiöse Positionen werden stets zwischen Traditionen und gesellschaftlichem Kontext ausgehandelt.» Und Schmid vergleicht mit der katholischen Kirche, die «teils vor ähnlichen Herausforderungen stand oder steht».
Sarrazin sagt: Der Islam erzieht seine Gläubigen zu Feindseligkeit und Ausgrenzung.
Im Koran gibt es mehrere Stellen, wonach «Ungläubige getötet» werden sollen. Islamisten nehmen regelmässig Bezug auf diese Gebote. Konservative Muslime lehnen Andersgläubige etwa mit einer Verweigerung des Handschlags ab. Schmid sagt: «Man muss sowohl Koran als auch Bibel im historischen Kontext verstehen. In den meisten Moscheen der Schweiz, die ich kenne, wird eine Botschaft der Toleranz gelehrt.»
Sarrazin sagt: Muslimische Länder sind wirtschaftlich wenig erfolgreich.
Punkto Reichtum stimmt das nicht. Die zehn ärmsten Länder der Welt, alle in Afrika, sind alle mehrheitlich christlich. Das reichste Land der Welt, in Sachen Bruttoinlandprodukt pro Kopf, ist das muslimische Katar. 2016 waren 7 der 29 reichsten Länder der Welt muslimisch. Aber bei allen beruht der Reichtum auf Erdöl und Erdgas. Kaum ein muslimisches Land exportiert Industriegüter. Hier hinkt die muslimische Welt hinterher. Ihre Blütezeiten waren vor langer Zeit, etwa vom 8. bis 13. Jahrhundert um Bagdad oder im Mittelalter im Süden der Iberischen Halbinsel. Auch die Wissenschaft (Astronomie, Algebra) wurde massgeblich von Muslimen geprägt.
Sarrazin sagt: Muslimen soll die Zuwanderung verboten werden.
Grundsätzlich hat zwar niemand das Recht, in die Schweiz einzuwandern, ausser es handle sich um einen Auslandschweizer oder – wegen der Personenfreizügigkeit – einen EU-Bürger, der in der Schweiz eine Stelle gefunden hat. Die Bundesverfassung und das geltende Gesetz verbieten es jedoch, jemandem die Zuwanderung aufgrund seiner Religion zu verwehren. Würde die Schweiz per Initiative einen Zuwanderungsstopp für Muslime einfügen und das Diskriminierungsverbot streichen, würden wir gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstossen.
Sarrazin sagt: Der Islam ist eine Gefährdung für die kulturelle Ausrichtung des Westens.
Viele Schweizer sehen im Islam eine Gefahr. Das zeigt die Annahme der Minarett-Initiative 2009. Der Islam an sich ist nicht die Bedrohung, sondern die Tatsache, dass sich streng konservative Muslime gegen eine Integration verwehren. Schmid sagt: «Die kulturelle Ausrichtung des Westens ist vielfältig und muss ständig neu ausgehandelt werden. Muslime sind seit Jahrhunderten Teil des Westens. Die Islam-Debatte ist eine Herausforderung, die Fragen kultureller Identität wieder intensiver zu diskutieren.»
Die deutsche Presse geht mit dem neuen Werk von Thilo Sarrazin (73) hart ins Gericht. Die Kritiken fallen durchweg vernichtend aus.
Unter dem Titel «Haarsträubendes zum Islam» wirft ihm die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» vor, ein Buch voller Fehler und Unkenntnis veröffentlicht zu haben. «Aber auch mit dieser Kampfschrift wird Thilo Sarrazin wieder Angst verbreiten und dennoch auf Resonanz stossen», vermutet das Blatt.
«Deutschland braucht dieses Werk so dringend wie einen Ebola-Ausbruch», urteilt die «Süddeutsche Zeitung». In ihrer Kritik betitelt sie das Buch gar als «das verlegerische Unglück dieses Jahres».
Die Rezensentin des TV-Senders n-tv wirft Sarrazin vor, einen Brandbeschleuniger auf den Markt zu bringen: «Inmitten einer nervös geführten Debatte um verkorkste Abschiebungen, brutale Mädchenmorde und wachsenden Antisemitismus liefert ‹Feindliche Übernahme› auf 420 Seiten reichlich Stoff für neurechte Endzeitszenarien.»
«Feindliche Übernahme» sei einseitig, verletzend und manipulativ, befindet der «Tagesspiegel» aus Sarrazins Heimat Berlin. «Hier schreibt ein beleidigter und verletzter Autodidakt, den die Debatte um sein erstes Buch schwer mitgenommen hat und der es jetzt allen noch einmal zeigen will.»
«Sarrazin graut es, wohin er auch blickt», lautet der Titel des Chefkommentators der «Welt». Das Buch entlarve die simple Grundthese des Autors. Nämlich: «Die Muslime sind unser Unglück.»
Und der Deutschlandfunk kommt zum Schluss, Sarrazin schaue mit einer «Der Islam ist Grund allen Übels»-Brille auf die Welt. Debatten zu Sexismus und Rassismus oder #MeToo und #MeTwo seien an ihm vorübergegangen. Stattdessen seien kinderreiche muslimische Familien das alleinige Feindbild.
Die «Frankfurter Rundschau» kritisiert verhältnismässig sachlich: «Unabhängig von politischen Bewertungen fallen in dem umfangreichen Text mit zahllosen Zitaten und Quellenangaben immer wieder Verallgemeinerungen, Übertreibungen und Unstimmigkeiten auf.»
Die deutsche Presse geht mit dem neuen Werk von Thilo Sarrazin (73) hart ins Gericht. Die Kritiken fallen durchweg vernichtend aus.
Unter dem Titel «Haarsträubendes zum Islam» wirft ihm die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» vor, ein Buch voller Fehler und Unkenntnis veröffentlicht zu haben. «Aber auch mit dieser Kampfschrift wird Thilo Sarrazin wieder Angst verbreiten und dennoch auf Resonanz stossen», vermutet das Blatt.
«Deutschland braucht dieses Werk so dringend wie einen Ebola-Ausbruch», urteilt die «Süddeutsche Zeitung». In ihrer Kritik betitelt sie das Buch gar als «das verlegerische Unglück dieses Jahres».
Die Rezensentin des TV-Senders n-tv wirft Sarrazin vor, einen Brandbeschleuniger auf den Markt zu bringen: «Inmitten einer nervös geführten Debatte um verkorkste Abschiebungen, brutale Mädchenmorde und wachsenden Antisemitismus liefert ‹Feindliche Übernahme› auf 420 Seiten reichlich Stoff für neurechte Endzeitszenarien.»
«Feindliche Übernahme» sei einseitig, verletzend und manipulativ, befindet der «Tagesspiegel» aus Sarrazins Heimat Berlin. «Hier schreibt ein beleidigter und verletzter Autodidakt, den die Debatte um sein erstes Buch schwer mitgenommen hat und der es jetzt allen noch einmal zeigen will.»
«Sarrazin graut es, wohin er auch blickt», lautet der Titel des Chefkommentators der «Welt». Das Buch entlarve die simple Grundthese des Autors. Nämlich: «Die Muslime sind unser Unglück.»
Und der Deutschlandfunk kommt zum Schluss, Sarrazin schaue mit einer «Der Islam ist Grund allen Übels»-Brille auf die Welt. Debatten zu Sexismus und Rassismus oder #MeToo und #MeTwo seien an ihm vorübergegangen. Stattdessen seien kinderreiche muslimische Familien das alleinige Feindbild.
Die «Frankfurter Rundschau» kritisiert verhältnismässig sachlich: «Unabhängig von politischen Bewertungen fallen in dem umfangreichen Text mit zahllosen Zitaten und Quellenangaben immer wieder Verallgemeinerungen, Übertreibungen und Unstimmigkeiten auf.»
Thilo Sarrazin (73) ist einer der umstrittensten Autoren und wichtigsten Intellektuellen Deutschlands. Seine Thesen zur Migrations- und Finanzpolitik sorgen für hitzige Debatten. Sarrazin arbeitete unter anderem als Staatssekretär im Finanzministerium, bei der Deutschen Bahn und als Senator für Finanzen in Berlin. Zuletzt war er im Vorstand der Bundesbank. Wegen seines provokativen Buches «Deutschland schafft sich ab», das 2010 zum Bestseller wurde, verlor er seinen Job. Sarrazin ist nach wie vor Mitglied der SPD, verheiratet und Vater zweier Söhne. Heute erscheint sein neustes Buch: «Feindliche Übernahme».
Thilo Sarrazin (73) ist einer der umstrittensten Autoren und wichtigsten Intellektuellen Deutschlands. Seine Thesen zur Migrations- und Finanzpolitik sorgen für hitzige Debatten. Sarrazin arbeitete unter anderem als Staatssekretär im Finanzministerium, bei der Deutschen Bahn und als Senator für Finanzen in Berlin. Zuletzt war er im Vorstand der Bundesbank. Wegen seines provokativen Buches «Deutschland schafft sich ab», das 2010 zum Bestseller wurde, verlor er seinen Job. Sarrazin ist nach wie vor Mitglied der SPD, verheiratet und Vater zweier Söhne. Heute erscheint sein neustes Buch: «Feindliche Übernahme».