Worum geht es bei der Bundestagswahl?
61,5 Millionen Deutsche wählen zum 19. Mal die Abgeordneten des Bundestags. Der Bundestag ist das Parlament und somit gesetzgebendes Organ der Bundesrepublik. Er entspricht dem schweizerischen Nationalrat. In Deutschland gibt es auch einen Bundesrat mit aktuell 69 Mitgliedern, in dem die Bundesländer vertreten sind. Er entspricht dem schweizerischen Ständerat. Die Bundestagswahl 2017 findet am 24. September statt.
Wie wählen die Deutschen?
Jeder Wähler verfügt über zwei Stimmen: eine Erst- und eine Zweitstimme. Mit der Erststimme wird der Abgeordnete des eigenen Wahlkreises gewählt. Es gibt 299 Wahlkreise, das heisst, dass durch Erststimmen 299 Sitze besetzt werden. Die restlichen Sitze werden durch die Zweitstimmen vergeben. Mit der Zweitstimme wählt man die Landesliste einer Partei – also keinen einzelnen Kandidaten. Auf dieser Liste stehen in einer festen Reihenfolge Kandidaten, die für die jeweilige Partei in den Bundestag einziehen sollen. Diese Reihenfolge legen die Parteien fest. Eine Partei braucht mindestens fünf Prozent der Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.
Warum ist der Bundestag nicht immer gleich gross?
Grundsätzlich zählt der Bundestag mindestens 598 Sitze, zurzeit sitzen aber 631 Abgeordnete im Parlament. Die Zahl kann sich durch Überhang- und durch Ausgleichsmandate erhöhen. Überhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei in einem Land mehr Direktmandate erlangt, als ihr gemäss Zweitstimmenergebnis zustünden. Aufgrund des 2013 geänderten Wahlrechts werden Überhangmandate aber künftig durch weitere Mandate ausgeglichen, um in der Sitzverteilung das Kräfteverhältnis bei den Zweitstimmen möglichst genau abbilden zu können.
Welche sind die wichtigsten Parteien?
- CDU (Christlich Demokratische Union): Christlich-sozial, liberal-konservativ – der Dampfer, der Deutschland auf Kurs hält.
- CSU (Christlich-Soziale Union in Bayern): Konservativer als die CDU. Bildet mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft, zusammen werden sie «die Union» genannt.
- SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands): Die älteste Partei Deutschlands, während des Nationalsozialismus verboten.
- Die Linke: Peilt die Überwindung des Kapitalismus und einen demokratischen Sozialismus an. Links-populistisch.
- Bündnis 90/Die Grünen: Zusammenschluss verschiedener Bewegungen. Schwerpunkt Umweltschutz, aber auch Multikulti.
- FDP (Freie Demokratische Partei): Für mehr Freiheiten und Verantwortung des Einzelnen.
- AfD (Alternative für Deutschland): 2013 als Frustpartei gegen den Euro-Rettungsschirm gegründet. Teilweise rechtsradikale Tendenzen.
Welche Partei wird die Wahlen gewinnen?
In den Umfragen ist ganz klar Angela Merkels CDU/CSU in Führung (etwa 38 Prozent). Es folgen die SPD (24), AfD (10), FDP (9), Linke (9), Grüne (7) und sonstige (3). Politologe Klaus Armingeon von der Uni Bern warnt aber: «Es herrscht eine grosse Flatterhaftigkeit des Wahlverhaltens. Es könnte daher durchaus auch zu einer grossen Überraschung kommen.»
Wird gleichzeitig auch der Kanzler gewählt?
Nein, der Kanzler wird in Deutschland zu Beginn der neuen Legislaturperiode vom neuen Bundestag gewählt. Dazu braucht es eine einfache Mehrheit, entweder durch eine einzelne Partei, was nur der Union in den 50er-Jahren je gelang, oder durch eine Koalition aus mehreren Parteien. Der Bundestag tritt spätestens am 24. Oktober, zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Bleibt Angela Merkel Kanzlerin?
Bei Volks-Umfragen liegt die 63-jährige CDU-Politikerin mit 51 Prozent klar vor ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD, 61), der sehr an Unterstützung eingebüsst hat und nur noch auf 22 Prozent kommt. Viele der Befragten sind noch unentschlossen. Bei einer Wiederwahl würde es Merkel bis zu den Wahlen von 2021 auf 16 Amtsjahre schaffen. Merkel bleibt ziemlich sicher Kanzlerin, wenn ihre Union stärkste Partei bleibt – es sei denn, eine Gegenkoalition kriegt genug Stimmen. Denkbar wäre hier eigentlich nur eine Verbindung von SPD, Grünen und FDP.
Wie wird die umstrittene AfD abschneiden?
Seit der Gründung 2013 zog die Alternative für Deutschland in 13 der insgesamt 16 Länderparlamente ein. Ein eigentlicher Senkrechtstart. Wegen interner Zwiste und rechtsradikaler Tendenzen verlor sie wieder an Boden. Viele ihrer Sympathisanten unterstützen nun die CDU, nachdem diese versprochen hatte, die Schraube in der Ausländerpolitik anzuziehen. Dennoch kann man vom Einzug in den Bundestag ausgehen.
Welches sind die grossen Wahlkampfthemen?
Laut einer Umfrage sind es Altersarmut, Bildung und Kriminalität. Die Zuwanderung, die 2016 und 2015 ganz Deutschland bewegte, kommt bei dieser Umfrage erstaunlicherweise erst weiter unten.
Wer sind die bekanntesten Akteure?
Natürlich dreht sich alles um Kanzlerin Angela Merkel und ihren Herausforderer Martin Schulz. Weitere Personen, deren Namen man kennen sollte: Christian Lindner (38), Präsident der wiederauferstandenen FDP, Alice Weidel (38), lesbische AfD-Spitzenkandidatin mit Zweitwohnsitz im schweizerischen Biel BE, und Linke-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht (48), die näher mit Putin zusammenarbeiten will.
Welche Auswirkungen haben die deutschen Wahlen auf die Schweiz?
Keine grossen, vermutet Klaus Armingeon und meint das positiv: «Da die Schweiz in Deutschland sehr viel Sympathie geniesst, kann man davon ausgehen, auch weiterhin sehr pfleglich aus dem Norden behandelt zu werden.»
Wie viele wahlberechtigte Deutsche leben in der Schweiz?
Die Antwort der deutschen Botschaft in Bern erstaunt: «Diese Zahl ist nicht bekannt, da keine Wahlpflicht herrscht.» In der Schweiz leben über 300’000 Personen mit deutschem Pass, Kinder mitgerechnet.
Wie gross ist das Interesse der Deutschen in der Schweiz an den Wahlen?
Vermutlich wie gewohnt ziemlich klein, denn das Prozedere ist kompliziert: Man muss beim letzten Wohnort mit Angabe des Abmeldedatums die Wahlunterlagen beantragen. Armingeon: «Man muss sich aktiv darum kümmern. Es kommt nichts automatisch in den Briefkasten.»
Wen wählen die Deutschen in der Schweiz?
Klaus Armingeon erwartet keine grossen Unterschiede zum Wahlverhalten in Deutschland. Armingeon: «Wahrscheinlich ist der Anteil der AfD- und Linke-Wähler in der Schweiz etwas geringer.»
Was hat das CDU-Wahlprogramm mit Fondue zu tun?
«fedidwgugl»: Mit diesem Wort zieht die CDU in den Wahlkampf. Es ist die Abkürzung von «Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben». Warum kommt uns da unser Fondue in den Sinn? Klar: «figugegl», «Fondue isch guet und git e gueti Luune», der berühmte Spott aus den 50er-Jahren. Hinter der CDU-Kampagne steckt denn auch der Schweizer Jean-Remy von Matt (64), Mitbegründer der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt.
Wann kennen wir die Resultate?
Die Wahlurnen schliessen am 24. September um 18 Uhr. Dann werden auch die ersten von Meinungsforschungsinstituten erstellten – und meist ziemlich träfen – Prognosen veröffentlicht. Erste Hochrechnungen werden wie vor vier Jahren schon um etwa 18.15 Uhr erwartet. Das vorläufige amtliche Endergebnis dürfte wenige Stunden nach Mitternacht veröffentlicht werden.