Das Ländle lebt gut – auf Kosten der Nachbarschaft
Schmarotzertum Liechtenstein

Die Schweizer gelten als Europameister im Rosinenpicken. Doch im Vergleich mit Liechtenstein sind wir Waisenknaben. Im Herausschinden von Vorteilen sind die Liechtensteiner Weltklasse. Zum morgigen Staatsfeiertag am 15. August listen wir die 15 grössten Schlaumeiereien auf.
Publiziert: 13.08.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:46 Uhr
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Kleinstaat: Hoch über Vaduz und dem Parlament (ganz rechts) thront das Fürstenschloss.
Foto: Nick Soland
Julien Duc, Vinzenz Greiner, Konrad Staehelin, Lea Gnos, Nico Menzato

Die Wahrheit macht frei, heisst es. Und für unseren kleinen Nachbarn ist jetzt ein bisschen Wahrheit gefragt: Liechtenstein macht es sich seit Jahren sehr einfach und lebt gut – auf Kosten seiner Nachbarn.

Zum Teil mit Kniffs, die auch die Schweiz lange durchzog, zugegeben. Zum Teil aber auch gerade zulasten der Schweiz. So lagert das Ländle zum Beispiel seinen Berufsverkehr kurzerhand in die Schweiz aus. Ebenso übrigens wie seine Gastarbeiter.

Denn während die EU der Schweiz oder Grossbritan­nien in Sachen Personenfreizügigkeit null Spielraum lässt, hat sich Liechtenstein eine feine Ex­trawurst ausbedungen.

Die BLICK-Redaktion hat 15 harte Tatsachen zusammengestellt – gemeinerweise ausgerechnet zum Liechtensteiner Nationalfeiertag am 15. August, dem Fürstentag. Nehmt es uns nicht übel, liebe Nachbarn, und feiert trotzdem schön. Vielleicht, dank der Extraportion Wahrheit, etwas befreiter.

1. Liechtensteiner sind die grössten Rosinenpicker Europas 

Die Personenfreizügigkeit ist die heilige Kuh der EU. Da kann die Schweiz lange Ja sagen zur Masseneinwanderungs-Initiative – eine Rückkehr zu Kontingenten schliesst die EU trotzdem aus. Nicht einmal für das mächtige Grossbritannien gibt es Ausnahmen von Brüssel. Für Liechtenstein aber schon. Der Staat ist zwar EWR-Mitglied und damit stärker in die EU integriert als die Schweiz. Aber die Personenfreizügigkeit gilt nicht für Liechtenstein. Ausländer dürfen dort arbeiten, aber nur sehr beschränkt wohnen. Liechtenstein handelte ein Sonderrecht aus, das erlaubt, die Einwanderung aus dem EWR-Raum auf ein absolutes Minimum zu kontingentieren. Manchmal werden die Aufenthaltsbewilligungen sogar per Los vergeben. Die Folgen dieser Sonderregelung trägt vor allem die Schweiz.

2. Liechtensteins Einwanderer wohnen in der Schweiz

In Liechtenstein beschäftigte ausländische Arbeitnehmer wohnen zuhauf in den Grenzregionen der Schweiz. Dichtestress und Masseneinwanderung sind Fremdwörter im Fürstentum. Rund die Hälfte der gut 37’000 Beschäftigten müssen aufgrund der strengen Kontingentierungspolitik täglich aus dem benachbarten Ausland nach Liechtenstein pendeln. Von diesen knapp 20’000 Grenzgängern wohnt jeder zweite in der Schweiz, viele davon sind Deutsche und Österreicher. Besonders die kleineren grenznahen Gemeinden im St. Galler Rheintal spüren den ausländischen Bevölkerungszuwachs.

3. Liechtensteiner sind sicherheitspolitische Trittbrettfahrer

Das Ländle hat bei der Zuwanderung erreicht, was die SVP gerne für die Schweiz hätte. Aber nicht nur Rechte, auch die Armeeabschaffer der GSoA müssen Gefallen finden am Ländle: Das Fürstentum hat seine Armee schon vor 150 Jahren abgeschafft: Es lebt letztlich unter dem Schutzschirm der Schweizer Armee. Die lediglich rund 120 Mann starke Landespolizei ist für die Sicherheit verantwortlich. Auch die Polizistenausbildung überlässt Liechtenstein der Schweiz. Die Ordnungshüter des Fürsten gehen in die Polizeischule Ostschweiz in Amriswil TG.

4. Liechtenstein ist keine echte Demokratie

 

Die fürstliche Macht ist beinahe grenzenlos. Neben Regierungsbefugnissen kontrolliert der Fürst durch sein Vetorecht die Gesetzgebung, kann sich über Volksentscheide hinwegsetzen und rechtskräftige Urteile rückgängig machen. Das sind praktisch diktatorische Verhältnisse. Widerspruch gegen die fürstliche Macht wird allerhöchstens hinter vorgehaltener Hand laut. Aber im Grunde lieben die Liechtensteiner ihr Oberhaupt. Das Staatsmotto «Für Gott, Fürst und Vaterland» ist keine Leerformel.

5. Liechtensteiner halten sich Roaming-Gebühren vom Leib

Wer mit einem Schweizer Handyabo in der EU telefoniert, zahlt teils horrende Preise. Wer mit einem EU-Handyabo in der Schweiz telefoniert, leidet ebenso unter Roaming-Gebühren. Aber im Fürstentum ist das anders: Bei den meisten Liechtensteiner Handy-Abos fallen weder in der EU noch in der Schweiz Roaming-Gebühren an. Da Liechtenstein im EWR ist, übernimmt es die EU-Gesetzgebung, die Roaming-Gebühren kürzlich abgeschafft hat. Und wegen der räumlichen und wirtschaftlichen Nähe zur Schweiz fallen Gebühren in der Schweiz ebenfalls bei vielen Abos weg.

6. Liechtenstein schmückt sich mit fremden Federn

Schoggi, Uhren, Sackmesser: Die Welt liebt Schweizer Produkte. Zum Schutz der Marke Schweiz gibt es das Swissness-Gesetz, gemäss dessen die Verarbeitung in der Schweiz erfolgen muss, um als Schweizer Produkt zu gelten. Nur ist in diesem Gesetz Liechtenstein inbegriffen. Das macht sich etwa der Fleischverarbeiter Malbuner aus Bendern FL zunutze. Er schreibt «Schweizer Fleisch» auf die Verpackung – obwohl er in Liechtenstein produziert. Immerhin: Sein Rohstoff stammt wirklich aus der Schweiz.

7. Liechtenstein schleust ausländische Lastwägeler ein

 

In der Schweiz dürfen nur Schweizer Fuhrhalter Transportleistungen erbringen. Tun dies Ausländer, verstossen sie gegen das Kabotageverbot. Liechtenstein und dessen Strassenverkehrsabkommen mit der Schweiz ist das Hintertürchen. Alles, was ausländische Unternehmer brauchen, ist eine Tochter in Liechtenstein. So kommen sie an lukrative Aufträge am Zürcher Flughafen.

8. Liechtenstein büsste nie für die Schwarzgeld-Vergangenheit

Nur dank Liechtenstein wurden die Schweizer Banken beim Verstecken von Schwarzgeld Weltspitze. Sie und ihre Klientel nutzen eine ganz besondere liechtensteinische Spezialität: die Stiftung. Jahrzehntelang gab es kein besseres Versteck für hinterzogene Gelder. Mit der Finanzkrise 2008 war Schluss damit. EU und USA vermiesten Bankern und Treuhändern das Geschäft. Schweizer Banken zahlten Milliarden – ihre liechtensteinischen Helfershelfer aber blieben ungeschoren. Die «Süddeutsche Zeitung», die bei der Auswertung ihrer «Panama Papers» mit den deutschen Steuerbehörden kooperiert, will zwar wieder einmal belastendes Material gegen Liechtenstein gefunden haben. Aber bisher zeigt sich Vaduz nicht als besonders nervös.

9. Liechtensteiner lagern ihren Berufsverkehr aus

Im Ländle gibt es keine Autobahn. Doch praktischerweise führt die A13 auf der Schweizer Seite der ganzen 27 Kilometer langen Grenze entlang. Und sie wird rege genutzt. Eine gewaltige Entlastung für Liechtenstein, dessen Berufsverkehr sonst kollabieren würde. Auch Busfahrer bei Leerfahrten, selbst die Polizei sind froh um die Autobahn der Nachbarn.

10. Liechtensteiner zahlen nicht für Schweizer Strassen

Klar, für die Schweizer A13 brauchen auch sie eine Vignette für 40 Franken. Doch die deckt bloss rund 4 Prozent der Schweizer Strassenfinanzierung. Schweizer Mineralölsteuer und Motorfahrzeugsteuer, die rund 80 Prozent der Kosten decken, müssen die Liechtensteiner nicht zahlen.

11. Liechtensteiner übernehmen Geld, Gesetze, Ausweise

Ein eigenes Land, aber keine eigene Währung: In Liechtenstein bezahlt man mit unserem Franken. Auch viele Gesetze werden eins zu eins übernommen. Zudem erhalten viele Berufsgruppen ihre Ausbildung in der Schweiz, etwa Polizisten und Fahrlehrer. Auch ID und Fahrausweis werden in der Schweiz hergestellt, sie sehen nur etwas anders aus. Und tatsächlich: Liechtenstein hat eigene Briefmarken.

12. Liechtenstein schickt Kriminelle nach Österreich ins Gefängnis

In Vaduz steht zwar seit 1990 ein Gefängnis. Doch das ist zu klein und nicht geeignet für Haftstrafen über zwei Jahre. So lassen die Liechtensteiner ihre richtigen bösen Jungs in Österreich ihre Strafe absitzen. Seit 1983 gibt es den entsprechenden Staatsvertrag. Im Jahr 2016 wurden 2161 Straftage in österreichischen Gefängnissen verbüsst.

13. Liechtensteiner sind eitel

Die Strassen des Ländle sind geprägt von Nobelkarossen – und von hübsch zurechtgemachten Menschen. «Der Liechtensteiner legt viel Wert auf Schönheit», sagt Jürgen Lang (53), Inhaber des Coiffeursalons Les Artistes. Das ist nicht bloss subjektiver Eindruck von Lang, dem Vizepräsidenten des Liechtensteinischen Coiffeur-Verbands. Er vertritt vom italienischen Salon bis zum Nagel- und Haarstudio rund 110 Geschäfte landesweit. Das macht 343 Einwohner auf einen gemeldeten Haar-Künstler. In der Schweiz muss sich ein Coiffeur um über 561 Kunden kümmern.

14. Liechtensteiner studieren auswärts

Im Studienjahr 2015/2016 besuchten 38 Liechtensteiner eine deutsche, 114 eine österreichische und 363 – also fast zwei Drittel aller Liechtensteiner Studierenden überhaupt – eine Schweizer Uni. Nur 42 Liechtensteiner paukten an einer der beiden Universitäten im «Ländle». Die Internationale Akademie für Philosphie zählte im Studienjahr keinen einzigen Studenten aus dem eigenen Land.

15. Liechtenstein ist ein Steuerparadies für Reiche

«Auch in Liechtenstein werden Steuern bezahlt», klärt der Wirtschaftsstandort Liechtenstein auf der eigenen Webseite auf. Die Klarstellung kommt nicht von ungefähr. Im letzten Jahr verfügten die Liechtensteiner im Schnitt über ein Nettoeinkommen von umgerechnet rund 53'662 Franken. In der Schweiz ist es fast ein Drittel weniger. Kein Wunder, denn die nationale Erwerbssteuer, in die das Vermögen eingerechnet wird, ist tief: Bis 100'000 Franken Jahreseinkommen zahlt man nur fünf Prozent ans Land. Der Spitzensteuersatz (ab 200'000 Franken), beträgt gerade acht Prozent. Hinzu kommen noch Gemeindesteuern. Liechtenstein will die Tiefsteuerpolitik nicht ändern. «Wir brauchen gar nicht mehr Steuern», sagt Christian Hausmann, Leiter des Amtes für Volkswirtschaft, gegenüber BLICK. Fürst und Erbprinz müssen in Liechtenstein übrigens keinen Rappen Steuern zahlen.

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