Foto: Karl-Heinz Hug

Chinas Verbrechen an den Uiguren
Diese Kinder trauern um ihre Tante

Mehr als eine Million Uiguren wurden 
in China in Lager ­gesteckt. Ihre Verwandten in der Schweiz demonstrierten diese Woche dagegen.
Publiziert: 01.12.2019 um 10:18 Uhr
1/8
Die uigurische Familie demonstriert mit der Fahne von Ostturkestan gegen die Verbrechen an ihrem Volk. Es sind Berna Imam, Mihrigu Imam, Kamran Kayser, Erfan Imam und Rena Imam (v. l.).
Foto: Karl-Heinz Hug
Rachel Hämmerli

Die neunjährige Berna Imam reckt ihre himmelblaue Fahne in die Dunkelheit. Die ­Gesellschaft für bedrohte Völker hat zur Demonstration gerufen.

An Donnerstagabend dieser Woche steht Berna mit ihrer Familie auf dem Casinoplatz in Bern und lauscht einer Rede über Gefangenenlager. Ihr Name ist traditionell uigurisch. Beharrlich hält sie das Tuch über ihrem Kopf – und verschwindet fast darunter. Es ist die Fahne ihrer Heimat Ostturkestan, weisser Halbmond auf hellblauem Grund, aber keine offizielle Landesflagge – Ostturkestan existiert nicht mehr. Die Heimat der Uiguren wurde 1949 von China annektiert und heisst heute Xinjiang.

Das vergessene Volk

Die zehn Millionen Uiguren leben dort als Minderheit. Das Volk wurde so klein, dass es fast aus dem Bewusstsein der Welt verschwand. Bis das Internationale Netzwerk ­investigativer Journalisten jetzt interne Dokumente der chinesischen Regierung veröffentlichte. Die sogenannten China Cables beweisen, dass Uiguren, Tibeter sowie andere Angehörige religiöser und kultureller Minderheiten systematisch von Peking verfolgt und willkürlich ­interniert werden. Die Zahl der ­Lagerinsassen wird auf über eine Million Menschen geschätzt. Die Regierung spricht von «Berufsbildungszentren». Die «Schüler» sollen die Werte der Kommunistischen Partei «lernen» – eine Massnahme gegen religiös motivierten Terror.

Kamran Kayser (17) weiss es ­besser: Seine Tante starb in einem dieser Lager, sein Onkel ist noch dort. Kamran ist einer von etwa 130 Uiguren in der Schweiz. Als Kleinkind kam er mit den Eltern nach Bern. Die kleine Berna ist seine Cousine. Die Grosseltern leben noch in Ürümqi, der Hauptstadt von Xinjiang. «Ich habe zuletzt vor einem Jahr mit ihr telefoniert», erzählt Kamran. «Sie war fröhlich – doch am Ende hat sie gesagt, wir sollten nicht mehr anrufen.»

Es kann jeden treffen

Ein harmloses Telefonat ins Ausland genügt, um in eines der Internierungslager gesteckt zu werden. Anrufe werden überwacht, an allen öffentlichen Orten in Ürümqi hängen Kameras, deren Bilder mit Gesichtserkennungs-Software ausgewertet werden. Es ist das er­klärte Ziel Chinas, die uigurische Kultur auszulöschen. Um dies zu erreichen, dürfe die Führung in Xinjiang keine Gnade walten lassen, sagte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping. Die China Cables zeigen jetzt, wie er das meint.

Kamran Kayser sagt es auf Berndeutsch: «Ich bin Uigure. Ich vergesse nicht, wer ich bin und von wo ich komme.» Seine Kultur stehe für kunstvoll geknüpfte Teppiche, goldenen Schnickschnack und Polo – ein Gericht aus Reis, Rüebli und Fleisch. «Die Öffentlichkeit muss erfahren, was in China passiert», fährt Kamran fort. Dafür protestiert er. Berna mit der himmelblauen ­Fahne hat schon begriffen, was in Xinjiang vor sich geht: «Dort werden Menschen ins Gefängnis getan – aus gar keinem Grund.»

Gute Chancen für «Lex China»

Geht es nach dem Ständerat, soll der Bund ausländischen Investoren künftig auf die Finger schauen. ­Gerade wenn sich staatlich kontrollierte Unternehmen bei Schweizer Firmen engagieren, müsse eine Behörde dies vorab prüfen. Dieser Vorstoss von CVP-Ständerat Beat Rieder (56, VS) richtet sich nicht zuletzt gegen die Einkaufstour chinesischer Konzerne.

In der Wirtschaftskommis sion des Nationalrates fand die Motion dann aber keine Mehrheit. Das war Anfang Oktober. Damals hatten SVP und FDP noch die Mehrheit. Doch der Linksrutsch bei den Wahlen könnte dem Begehren nun doch zum Durchbruch verhelfen. Momentan dürften sich Befürworter und Gegner in der grossen Kammer die Wage halten. Umso wichtiger sind ­potenzielle Abweichler. Der neue Nationalrat befindet in zwei Wochen über das Geschäft.

Bei der Linken geht man ­davon aus, dass die neusten Meldungen über die prekäre Menschenrechtssituation in China die Chancen des Vor­stosses erhöhen. «Diese Berichte könnten die Kritik an den unkontrollierten Übernahmen bestärken und die Zustimmung zur Motion erhöhen», sagt SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (60, LU).

«Ich stecke in einem Dilemma», bekennt SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (49, ZH). Er befürworte eine bessere Kontrolle, «doch einer neuen Behörde und zusätzlichen Beamten stehe ich kritisch gegenüber». Aber grundsätzlich sei es halt schon so: «Die Schweiz spricht gerne von Menschenrechten und freier Marktwirtschaft, doch je weiter weg ein totalitäres, kommunistisches Regime ist, desto stärker steht einzig der ökonomische Profit im Vordergrund.» (mas)

Geht es nach dem Ständerat, soll der Bund ausländischen Investoren künftig auf die Finger schauen. ­Gerade wenn sich staatlich kontrollierte Unternehmen bei Schweizer Firmen engagieren, müsse eine Behörde dies vorab prüfen. Dieser Vorstoss von CVP-Ständerat Beat Rieder (56, VS) richtet sich nicht zuletzt gegen die Einkaufstour chinesischer Konzerne.

In der Wirtschaftskommis sion des Nationalrates fand die Motion dann aber keine Mehrheit. Das war Anfang Oktober. Damals hatten SVP und FDP noch die Mehrheit. Doch der Linksrutsch bei den Wahlen könnte dem Begehren nun doch zum Durchbruch verhelfen. Momentan dürften sich Befürworter und Gegner in der grossen Kammer die Wage halten. Umso wichtiger sind ­potenzielle Abweichler. Der neue Nationalrat befindet in zwei Wochen über das Geschäft.

Bei der Linken geht man ­davon aus, dass die neusten Meldungen über die prekäre Menschenrechtssituation in China die Chancen des Vor­stosses erhöhen. «Diese Berichte könnten die Kritik an den unkontrollierten Übernahmen bestärken und die Zustimmung zur Motion erhöhen», sagt SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (60, LU).

«Ich stecke in einem Dilemma», bekennt SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (49, ZH). Er befürworte eine bessere Kontrolle, «doch einer neuen Behörde und zusätzlichen Beamten stehe ich kritisch gegenüber». Aber grundsätzlich sei es halt schon so: «Die Schweiz spricht gerne von Menschenrechten und freier Marktwirtschaft, doch je weiter weg ein totalitäres, kommunistisches Regime ist, desto stärker steht einzig der ökonomische Profit im Vordergrund.» (mas)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?