Im Badeort Milano Marittima hielt Italiens Innenminister Matteo Salvini letzte Woche in Badehosen Hof, mischte sich in Badehosen unter die Badegäste. Alle wollten ein Selfie mit ihm, begrüssen ihn mit Handschlag, klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Eine BLICK-Leserreporterin erzählt: «Er posierte, nahm sich Zeit für die Leute und genoss sichtlich die Aufmerksamkeit.»
Doch nur zum Feiern ist Salvini nicht im Badeort: Er schmiedet Pläne, die er eine Woche später umsetzt. Er sieht keine Zukunft mehr für das Regierungsbündnis, fordert am Donnerstag eine Neuwahl! Der Lega-Chef kündigt ein Misstrauensvotum im Senat gegen den Ministerpräsidenten Giuseppe Conte an.
Conte poltert gegen Salvini
Und all das mitten in der Ferienzeit. Die Populisten-Allianz aus rechter Lega und Fünf-Sterne-Bewegung ist nach nur 14 Monaten krachend gescheitert. Salvini hatte von Conte gefordert: «Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt», hiess es in einer Erklärung des Rechtspopulisten am Donnerstagabend.
Conte sprach daraufhin überraschend klare Worte: «Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren.» Er fordert Salvini stattdessen auf, im Senat zu erklären, warum er «frühzeitig, abrupt» das Handeln der Regierung unterbreche.
Lega würde am meisten profitieren
Conte hat nun offenbar vor, sich im Parlament das Vertrauen entziehen zu lassen. Eine andere Möglichkeit wäre, den Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einzureichen. Dann liegt der Ball beim Staatsoberhaupt. Bevor der Weg zu einer Neuwahl bereitet wird, dürfte Mattarella sondieren, ob es noch eine andere Mehrheit im Parlament gibt. Die Sterne stellen trotz des Tiefs in den Umfragewerten immer noch die meisten Abgeordneten im Parlament.
Die Lega würde von einem Urnengang am meisten profitieren, sie hat die Sterne mittlerweile als stärkste Partei im Land abgelöst. Bei der Europawahl im Mai holte sie mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis. Schon lange war spekuliert worden, wann Salvini die Koalition platzen lassen würde, um eine Neuwahl herbeizuführen.
Am Donnerstag hatten angesichts der aufziehenden Regierungskrise bereits Beratungen auf höchster Ebene stattgefunden. Erst kam Conte mit Staatspräsident Mattarella zusammen. Am Abend war Salvini dann im Regierungspalast. Anschliessend erklärte Salvini, es sei «zwecklos», mit Streitereien wie in den vergangenen Wochen weiterzumachen.
«Diese Regierung war nicht am Strand»
Schon im März wäre die Regierungsallianz an dem Streit um die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin fast zerbrochen. Doch am Mittwoch erreichte der Konflikt eine neue Qualität: Bei einem Votum im Senat stellten sich die Fünf Sterne gegen das Milliardenprojekt. Das brachte das Fass zum Überlaufen, nachdem sich die Lega und die Sterne bei einer Reihe anderer Themen schon nicht einig geworden waren. Streitpunkte waren etwa die von der Lega geforderte Autonomie für einige Regionen, drastische Steuersenkungen oder der von den Sternen geforderte Mindestlohn.
Salvini hat den Sternen in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen, Nein-Sager zu sein und die Regierung zu blockieren. «Ich werde nicht weiter zulassen, dass das Narrativ einer Regierung, die nicht arbeitet, einer Regierung der Nein-Sager, weiter genährt wird», sagte Conte. «In Wirklichkeit hat diese Regierung immer wenig gesprochen und viel gearbeitet. Diese Regierung war nicht am Strand.» Salvini hatte sich in den vergangenen Tagen von Anhängern am Strand zwischen Cocktails und Musik feiern lassen.
Die Populisten stellen die 65. Regierung seit Gründung der Republik und sind seit Juni 2018 im Amt. Eine Regierungskrise im August ist auch für das an wechselnde Regierungen gewöhnte Italien etwas Neues – das ganze Land ist im Urlaub oder auf dem Weg in die Ferien. Auch das Parlament wurde bereits in die Sommerpause verabschiedet. «Die Ferien können keine Entschuldigung dafür sein, Zeit zu verlieren», sagte Salvini. (SDA/neo)