Gestern Abend versammeln sich Neonazis vor dem Flüchtlingscamp «Souda» auf der Ägäisinsel Chios. Gemäss Angaben von Helfern sind die 60 bis 80 Anhänger der rechtsextremen Partei «Goldene Morgenröte» unter anderem mit Eisenstangen bewaffnet. Nach Einbruch der Dunkelheit eskaliert die Situation.
Gemäss «ChiosNews» haben die Neonazis mehrere Migranten mit den Stangen attackiert. Bilder zeigen grosse Felsbrocken in den Zelten, welche die Rechtsextremen geschmissen haben sollen. Getroffen wurde dadurch nach jetzigem Wissensstand niemand. «Das hätte tödlich enden können», schreibt ein Helfer aber auf Facebook.
Die Flüchtlinge wiederum blieben nicht untätig. Eine Gruppe hat am späten Abend ein Geschäft mit Feuerwerkskörpern geplündert und diese anschliessend im Camp abgefeuert, berichtet die Insel-Onlinezeitung «Politis» heute.
Die Feuerwerkskörper wurden auch auf Häuser in der Nachbarschaft gerichtet, die Szenerie habe einer Belagerung geglichen. Bewohner eilten in Panik auf die Strassen, die Bereitschaftspolizei rückte an, die Flüchtlinge warfen mit Steinen. Im Camp brannte im Verlauf der Nacht erneut ein Gutteil der Ausstattung ab.
Helfer vor Ort vermuten, dass die Flüchtlinge die Feuerwerke zur Verteidigung des Lagers gezündet haben. «Das hätten sie nicht gemacht, wenn nicht Dutzende von bewaffneten Neonazis vor den Toren gestanden hätten», sagt Baschi Seelhofer. Der Basler war für die Schweizer Organisation «Be Aware and Share» vor Ort und hat die Szenen auf Video aufgenommen.
Mehrere Verhaftungen
Insgesamt wurden 37 Migranten und zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen verhaftet, berichtet das Portal «Keep Talking Greece». Helfer kritisieren, dass die Polizei die Neonazis bei ihren Angriffen gewähren liess. So sollen Migranten auch nach ihrer Verhaftung mit Eisenstangen verprügelt worden sein. Vier Flüchtlinge wurden verletzt, eine schwangere Frau wurde mit einem Schock ins Spital eingeliefert.
Auf Chios leben nach Angaben des griechischen Flüchtlingskrisenstabs 4000 Flüchtlinge und Migranten, gut vier Mal so viele, wie Plätze vorhanden sind. Sie sollen im Rahmen des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei in die Türkei zurückgeschickt werden.
Zuvor dürfen sie Asyl beantragen; weil sich die Bearbeitung der Anträge mangels Personals in die Länge zieht, harren die meisten bereits seit vielen Monaten auf Chios und den anderen Inseln aus. (ryr/SDA)