Er sieht nicht so aus, wie man sich einen Warlord vorstellt: dunkle Augenbrauen, gepflegter Schnauz, ein fast sanftes Lächeln. Und doch ist Chalifa Haftar (75) einer der gewieftesten Kriegsführer.
Mit Mitte 20 putschte er Muammar al-Gaddafi (†69) an die Macht. Unter dem Diktator machte Haftar Karriere in der libyschen Armee. Jahrzehnte der Schreckensherrschaft folgten, die Schweiz erlebte mit Gaddafi 2008 eine ihrer schwersten aussenpolitischen Krisen.
Doch da hatte sich Haftar längst von dem Diktator losgesagt. Als ihn Gaddafi nach der libyschen Niederlage im Tschad 1987 fallenliess, liess sich Haftar mit der CIA ein und floh kurz darauf in die USA. Dort erhielt er politisches Asyl und schloss sich der libyschen Oppositionsbewegung an.
Haftar besitzt das libysche Erdöl
Ein Umsturzversuch gegen Gaddafi Mitte der Neunziger scheiterte. Doch Haftar, der in Abwesenheit zum Tod verurteilt wurde, gab nicht auf. Zur Zeit des Arabischen Frühlings kehrte er mehr als zwei Jahrzehnte nach seiner Flucht in sein Heimatland zurück und half, Gaddafi zu stürzen.
Anschliessend sollte Haftar die libyschen Streitkräfte neu organisieren. Doch die Aufgabe wurden ihm entzogen. Trotzdem sammelte der erfahrene Militär-Stratege seine Truppen um sich. Haftars Armee bezeichnet sich selbst als die Libysche Nationalarmee (LNA).
Während es der Regierung in Tripolis seit dem Bürgerkrieg und dem Sturz Gaddafis vor knapp acht Jahren nicht gelang, sich überall im Land Autorität zu verschaffen, baute der abtrünnige General seinen Einfluss aus.
Den Osten kontrollierte er schon lange vollständig. Anfang des Jahres expandierte Haftar in den Süden, mit den zwei grössten Ölfeldern dort befindet sich nun nahezu die gesamte libysche Erdölproduktion in seiner Hand.
Frankreich unterstützt Haftar
Nun hat Haftar die Hauptstadt ins Visier genommen. Seit Donnerstag rücken seine Truppen nach Tripolis vor, wo die Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch ihren Sitz hat.
Die jüngsten Kämpfe forderten laut Regierungsangaben bereits 32 Tote und 50 Verletzte. Unter den Opfern befänden sich auch Zivilisten. Haftars Libysche Nationale Armee hatte am Samstag von 14 Toten in den eigenen Reihen gesprochen.
Auf dem Weg zur Macht paktiert Haftar mit lokalen Rebellengruppen. Russland, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien stehen hinter ihm.
Zudem bekommt Haftar auch Unterstützung aus Europa: Weil der abtrünnige General gegen Islamisten vorgeht, hatte er in Emmanuel Macron bislang einen treuen Unterstützer. In Südlibyen unterstützte Paris Haftar im Alleingang.
Haftars Allianzen sind instabil
Doch beim Aussenministertreffen der G7-Staaten wendete sich am Sonntag das Blatt. Die Gruppe liess verlauten: Besonders die Milizen von General Haftar müssten dazu gebracht werden, ihren Vormarsch auf Tripoli zu stoppen. Auch Frankreich will offenbar keine militärische Lösung für die Konflikte in Libyen.
Trotz der Kämpfe halten die Vereinten Nationen an einer Allparteienkonferenz fest, die für den 14. bis 16. April in Tripolis angesetzt ist. Das Aussendepartement unterstützt den Vorbereitungsprozess für diese Konferenz. Bereits im November hatte Bundesrat Alain Berset bei der Libyen-Konferenz in Palermo Vermittlung durch die Schweiz angeboten.
Haftars Allianzen gelten als wacklig. Es ist unklar, ob Haftar überhaupt die nötige militärische Stärke besitzt, um die Regierungstruppen zu besiegen. Der Sturm auf Tripolis könnte sich lange hinziehen.
Zudem will der Westen, für den Libyen auch im Rahmen der Flüchtlingspolitik eine entscheidende Rolle spielt, nicht auf einen 75-Jährigen setzen. Die Angst: Stirbt Haftar, sterben auch seine Strukturen.