Die britische Premierministerin Theresa May (62) ist gestern Abend knapp am Putsch vorbei geschrammt. Sie gewann eine Misstrauensabstimmung in der eigenen Partei, den konservativen Tories, mit 200 zu 117 Stimmen. Hätte sie die Abstimmung verloren, hätte sie als Parteipräsidentin und somit auch als Premierministerin zurücktreten müssen.
Die gewonnene Abstimmung stärkt die Premierministerin. Weil es innert zwölf Monaten nur eine Misstrauensabstimmung geben darf, ist ihre Position für mindestens ein Jahr so gut wie gesichert. Im Jahr 2022, so hatte sie unmittelbar vor der Abstimmung angekündigt, werde sie sowieso nicht mehr antreten.
Die Tories hatten das Misstrauensvotum eingeläutet, nachdem May im Unterhaus die auf vergangenen Dienstag angesetzte Abstimmung über den Austrittsvertrag mit der EU kurzfristig verschoben hatte. Mit dieser Massnahme will sie Zeit gewinnen, um Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen und die drohende Abstimmungsniederlage abzuwenden.
Problem noch nicht gelöst
Anglistik-Professorin Ina Habermann von der Uni Basel, die sich wissenschaftlich mit dem Brexit beschäftigt, spricht von einem «Sieg für May», gibt aber auch zu bedenken, dass mit dem überstandenen Misstrauensvotum das Brexit-Problem noch lange nicht gelöst sei. «Auch wenn die Premierministerin das Traktandum zum Vertrag im Unterhaus verschoben hat, wird sie diese Abstimmung kaum gewinnen.» May befinde sich in einer Zwickmühle: Im eigenen Land der Druck der Hardliner, in Brüssel die EU, die vom verhandelten Vertrag nicht abrücken will.
Um sich aus der verfahrenen Situation zu lösen, brauche es neuen Druck aus der Wirtschaft, die den harten Ausstieg fürchtet.
Jetzt muss die Königin eingreifen
Ina Habermann könnte sich aber auch eine andere Möglichkeit vorstellen, die in Grossbritannien die herrschende Lähmung beendet: ein Wink aus dem Königshaus! Habermann: «Königin Elisabeth II. müsste vor ihr Volk treten und May den Rücken stärken. Sie könnte ein Signal an die Hardliner aussenden, damit diese auf einen weichen Ausstieg umschwenken und verhindern, dass die britische Wirtschaft an die Wand gefahren wird.»
- 23. Januar 2013
Um die Briten zu beruhigen, kündigt Premierminister David Cameron eine Abstimmung zum Brexit an.
- 23. Juni 2016
51,9 Prozent der Briten stimmen für den Austritt aus der EU.
- 29. März 2017
London reicht in Brüssel die Austrittserklärung ein. Die Uhr beginnt zu ticken, in zwei Jahren – am 29. März 2019 – müssen die Briten draussen sein.
- 18. Januar 2018
Das britische Unterhaus stimmt dem Austrittsgesetz zu.
- 7. März 2018
EU-Ratspräsident Donald Tusk betont, Grossbritannien werde nur noch wie ein Drittstaat behandelt.
- 23. März 2018
Die EU stimmt einer Übergangsphase zu. Den Briten blieben nach dem Brexit bis Ende 2020 alle Vorzüge und Pflichten eines EU-Landes.
- 6. Juli 2018
May schwört ihr Kabinett auf einen «weichen Brexit» ein. Kurz darauf treten Aussenminister Boris Johnson und Brexit-Chefunterhändler David Davis verärgert zurück.
- 17. Oktober 2018
Beim EU-Gipfel gibt es immer noch keinen Durchbruch. Stolperstein bleibt die Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland.
- 15. November 2018
Nach der Einigung zwischen Brüssel und London auf den Text eines Austrittsabkommens treten aus Protest gleich mehrere von Mays Ministern zurück.
- 25. November 2018
Die Chefs der 27 EU-Länder stimmen dem Austrittsvertrag zu.
- 11. Dezember 2018
Wegen einer drohenden Niederlage verschiebt May die Abstimmung im Unterhaus über den Austrittsvertrag. Die Empörung über ihre Verzögerungstaktik ist gross.
- 12. Dezember 2018
Die Tories blasen in einem Misstrauensvotum zum Angriff auf ihre Parteichefin und Premierministerin. May übersteht die Vertrauensabstimmung mit 200 zu 117 Stimmen und bleibt auf ihrem Posten.
- 15. Januar 2019
Das britische Parlament hat Theresa Mays Brexit-Deal wuchtig mit 432 zu 202 Stimmen abgelehnt. Bis zum 31. Januar muss nun eine Lösung gefunden werden, ansonsten ist der harte Brexit Tatsache. Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn stellt einen Antrag auf Vertrauensabstimmung und fordert Neuwahlen.
- 16. Januar 2019
Die britische Premierministerin Theresa May übersteht zum zweiten Mal innert wenigen Wochen eine Vertrauensabstimmung – diesmal im Parlament. Nach dem überstandenem Misstrauensvotum ruft May das Parlament zur Geschlossenheit in der Brexit-Frage auf.
- 21. Januar 2019:
May stellt dem Parlament keinen neuen Plan vor, sondern beharrt auf ihrer Linie. Die Premierministerin wiederholte den Aufruf, dass ein harter Ausstieg verhindert werden soll. May will ferner keine zweite Abstimmung, da sie im Parlament keine Mehrheit finden würde. In den nächsten Tagen will sie mit den Abgeordneten über die Nordirland-Lösung («Backstop») diskutieren.
29. Januar 2019:
Bei einer zweiten Abstimmung einigt sich dass britische Parlament darauf, dass es Nachverhandlungen mit der EU braucht. Nur zwei Monate vor dem Brexit will Theresa May das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen wieder aufschnüren. Doch Die Europäische Union lehnt die Änderung des Brexit-Vertrags nach wie vor ab.
14. Februar 2019:
Theresa May verliert erneut eine Abstimmung zum Brexit: Rund sechs Wochen vor dem EU-Austritt hat das britische Parlament die Beschlussvorlage der Regierung abgelehnt, welche die Entscheidungen einer Abstimmungsrunde von Ende Januar als Ganzes bestätigen sollte. Dazu gehörte auch die Ablehnung eines Brexits ohne Abkommen.26. Februar 2019
Theresa May gibt ihren Widerstand gegen eine Verschiebung des Brexit auf und stellt einen Drei-Stufen-Plan vor: Am 12. März will sie (erneut) über den Brexit-Entwurf abstimmen. Sollten ihn die Parlamentarier ablehnen, will sie am 13. März darüber abstimmen lassen, ob Grossbritannien die EU ohne Abkommen verlassen soll (No-Deal-Szenario). Lehnen die Parlamentarier auch das ab, will sie am 14. März darüber abstimmen lassen, den Brexit zu verschieben.
- 23. Januar 2013
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