Noch stehen die Daten, an denen die Demokraten und Republikaner ihre Nationalkonvente abhalten wollen. Beide sollen im August stattfinden, knapp drei Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen, die auf den 3. November angesetzt sind. Nationalkonvente sind der Anlass, an dem die Kandidaten offiziell ihre Nominierung annehmen und der Wahlkampf in die letzten, fiebrigen Runden geht.
Doch vor diesen US-Präsidentschaftswahlen, in Zeiten von Corona, ist alles anders. US-Präsident Donald Trump (74) muss auf seine geliebten Auftritte vor den Massen verzichten, die er ohne Viruskrise im Land praktisch täglich abhalten würde.
Jetzt hat auch sein Vize Mike Pence (61), Leiter der Coronavirus-Taskforce des Weissen Hauses, kommende Woche geplante Wahlauftritte in Arizona und Florida abgesagt. Dies, weil Covid-19-Fälle in diesen Bundesstaaten sprunghaft ansteigen.
Corona- statt Wahlfieber
Die Wahlkampagne von Trump-Herausforderer Joe Biden (77), der zum dritten Mal versucht, ins Weisse Haus einzuziehen, ist bislang noch übersichtlicher als diejenigen von Trump und Pence.
Biden verzichtet gänzlich auf Wahlauftritte. Seine Kampagne beschränkt sich auf «virtual events», auf «virtuelle Veranstaltungen» per Videoschaltung. Seinen Unterstützern rät Biden, zu Hause zu bleiben. Trump lästerte derweil, Biden sehe mit Maske aus, als habe er sich «einen Rucksack über den Kopf gestülpt».
Die USA sollten längst im Wahlfieber sein, sind es aber nicht, weil das heimtückische Corona-Fieber das Land heimsucht. Dabei schien Trumps Wahlsieg vor dem Ausbruch der Corona-Krise noch fraglos. Die US-Wirtschaft stürmte voran, die Beschäftigungszahlen waren solide, und die USA strotzten nur so vor Selbstvertrauen. Das Virus hat das alles auf den Kopf gestellt – und Bidens als aussichtslos eingestuften Kampagne zu Schwung verholfen. Umfragen zufolge liegt der Demokrat derzeit deutlich vor dem republikanischen Amtsinhaber.
Wahlverschiebung könnte Trump gelegen kommen, aber...
Biden hat schon während der ersten Welle der Pandemie im April die Befürchtung geäussert, dass die Wahllokale am 3. November geschlossen bleiben. «Merkt euch meine Worte», so Biden. Trump werde «versuchen, die Wahl irgendwie zu verschieben und sich eine Begründung dafür ausdenken, warum sie nicht abgehalten werden kann».
Juan Williams, bekannter «Fox News»-Moderator, blies ins gleiche Horn: «Glaubt jemand angesichts der Tiefe des politischen Lochs, das Trump Monate vor der Präsidentschaftswahl gegraben hat, wirklich, dass der Präsident zögern würde, das Coronavirus als Rechtfertigung für die Verschiebung oder Absage der nächsten Präsidentschaftswahl zu benutzen?»
Mit einer Wahlverschiebung müsste sich Trump über Bundesrecht hinwegsetzen. Dieses besagt klar, dass die Präsidentenwahl am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November stattzufinden hat. Nur ein vom Kongress verabschiedetes und vom Präsidenten unterzeichnetes Gesetz könnte dies ändern – was vor Gericht sofort angefochten würde.
Trump sind die Hände gebunden
Die US-Verfassung ist stärker als die Macht des Präsidenten. Trump kann die Wahlen auch nicht durch eine präsidiale Verfügung wegen nationalen Notstands annullieren oder verschieben, selbst wenn er das Kriegsrecht ausruft. Das sagt Andrew Moran, Dozent für Politik und Internationale Beziehungen an der London Metropolitan University, der britischen Zeitung «Express».
US-Präsident wird, wer mindestens 270 Stimmen des US-Wahlkollegiums erhält. Selbst in einem Extremszenario, wenn das US-Wahlkollegium nicht abstimmen sollte, würde die Amtszeit von Trump am 20. Januar 2021 um Punkt 12 Uhr ablaufen.
Wer US-Präsident wird, so Moran, würde dann durch Nachfolge geregelt. Diese Regeln sind vorgegeben, in der Geschichte der Vereinigten Staaten aber noch nie angewandt worden. Die US-Bundesstaaten könnten demnach auch ohne Wahlen Wähler für das Wahlkollegium ernennen. Das bedeutet, dass es Stimmen zum Auszählen gibt, auch wenn nicht alle Bundesstaaten ihre Stimmen einreichen. Der Kandidat, der die Mehrheit dieses Wahlkollegiums erhält, wird Präsident.