Generalanwalt Campos Sanchez-Bordona empfehle dem EuGH die Feststellung, dass die Absichtserklärung zum Austritt auf Grundlage des Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union einseitig widerrufen werden könne, teilte der EuGH am Dienstag in Luxemburg mit. Diese Möglichkeit bestehe bis zum förmlichen Abschluss eines Abschlussvertrages.
Damit können schottische Brexit-Gegner einen ersten Erfolg vor dem obersten EU-Gericht verbuchen. Sie dringen auf eine zweite Volksabstimmung, mit der die Briten für einen Verbleib in der EU stimmen könnten. Der EuGH ist an die Empfehlungen seiner Generalanwälte nicht gebunden, folgt diesen in der Regel aber.
Befürworter eines zweiten Brexit-Referendums haben am Montag eine überparteiliche Petition mit mehr als einer Million Unterschriften bei der britischen Regierung abgegeben. Mit der Unterschriftensammlung wollen sie ihrer Forderung nach einer zweiten Volksabstimmung über den Austritt aus der EU Nachdruck verleihen.
Britische Firmen fürchten Einbruch der Produktion
Britische Firmen befürchten, dass ihre Produktion bei einem ungeordneten Brexit einbrechen wird. Binnen zwölf Monaten droht dann ein Rückgang um 2,5 bis 6,9 Prozent, wie eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage der Bank von England unter 369 Unternehmen ergab.
Nur knapp ein Drittel habe bei Vorbereitungen für den Brexit zusätzliche Vorkehrungen vorgenommen, um sich für das Extrem-Szenario zu rüsten - beispielsweise durch neue Rechtsträger oder Änderungen der Lieferketten. Insbesondere Firmen in der Luftfahrt- oder Autobranche, die auf zeitnahe und bedarfsgerechte Zulieferung angewiesen sind, seien in Sorge, dass ein harter Brexit ihre Produktion durcheinanderwirbeln könne.
Grossbritannien will die EU Ende März 2019 verlassen. Die Scheidungsvereinbarung mit Brüssel, die einen möglichst reibungslosen Übergang in die Zeit nach der EU-Mitgliedschaft ermöglichen soll, steht nächste Woche im Parlament zur Abstimmung an.
Die britische Notenbank hat für den Fall eines Scheiterns vor katastrophalen Folgen für die Wirtschaft auf der Insel gewarnt.
- 12. März: Das Parlament stimmt im sogennanten «meaningful vote» über das zwischen May und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen ab. Zum zweiten Mal entschied das Parlament gegen Mays Deal (mit 391 zu 242 Stimmen).
- 13. März: Die Premierministerin lässt darüber abstimmen, ob Grossbritannien die EU ohne Deal verlassen soll. Das wäre ein harter Brexit, der wegen fehlender Übergangsbestimmungen in ein Chaos führen könnte. Kommt es bei der Abstimmung zum No-Deal zu einem Nein, entscheidet das Parlament für oder gegen eine Verschiebung des Brexit.
- 14.März: Die Abgeordneten entscheiden über die Brexit-Verschiebung. Nein = EU-Austritt am 29. März, vermutlich ohne Deal; Ja = London bittet EU um Verlängerung der Frist.
- Für die Umsetzung eines Abkommens müssen mindestens 20 EU-Länder zustimmen, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Kommt eine Mehrheit nicht zustande, tritt Grossbritannien ohne Deal aus der EU aus.
- Der Austritt erfolgt in jedem Fall am 29. März 2019.
- 12. März: Das Parlament stimmt im sogennanten «meaningful vote» über das zwischen May und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen ab. Zum zweiten Mal entschied das Parlament gegen Mays Deal (mit 391 zu 242 Stimmen).
- 13. März: Die Premierministerin lässt darüber abstimmen, ob Grossbritannien die EU ohne Deal verlassen soll. Das wäre ein harter Brexit, der wegen fehlender Übergangsbestimmungen in ein Chaos führen könnte. Kommt es bei der Abstimmung zum No-Deal zu einem Nein, entscheidet das Parlament für oder gegen eine Verschiebung des Brexit.
- 14.März: Die Abgeordneten entscheiden über die Brexit-Verschiebung. Nein = EU-Austritt am 29. März, vermutlich ohne Deal; Ja = London bittet EU um Verlängerung der Frist.
- Für die Umsetzung eines Abkommens müssen mindestens 20 EU-Länder zustimmen, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Kommt eine Mehrheit nicht zustande, tritt Grossbritannien ohne Deal aus der EU aus.
- Der Austritt erfolgt in jedem Fall am 29. März 2019.
Wie könnte die Brexit-Abstimmung im Parlament ausgehen?
Im Schatten von Big Ben wird in den kommenden Tagen ein erbitterter Kampf um die Zukunft Grossbritanniens ausgetragen. Das Unterhaus ist heillos zerstritten über das zwischen London und Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen.
Derzeit ist nicht zu erkennen, wie Premierministerin Theresa May am 11. Dezember eine Mehrheit dafür bekommen will. Fällt der Deal durch, betritt Grossbritannien politisches Neuland. Wird er angenommen, drohen eventuell weitere Fallstricke. Mehrere Szenarien sind denkbar.
Szenario 1: May bringt Brexit mit Zustimmung durch
Sollte es Premierministerin Theresa May gelingen, das Abkommen mit leichter Unterstützung aus der Opposition durchs Parlament zu bringen, wäre die Regierung zunächst gerettet.
Dann könnte der EU-Austritt sehr wahrscheinlich wie geplant am 29. März über die Bühne gehen und Grossbritannien in die Übergangsphase eintreten. Im Verhältnis zur EU würde dann bis mindestens 2020 alles bleiben, wie es ist. Brüssel und London könnten an ihrer neuen Beziehung arbeiten.
Das Ringen um den richtigen Brexit wäre zwar nicht beendet, aber die Gefahr eines ungeregelten Austritts zunächst gebannt. Dafür müsste May aber einen grossen Teil ihrer Rebellen im eigenen Lager und die nordirische DUP auf ihre Seite ziehen.
Szenario 2: Brexit-Deal gelingt nur knapp
Sollte May das Abkommen nur mit massiver Hilfe der aus der Opposition und gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen und der nordirischen DUP durchsetzen, wäre ihre politische Zukunft sehr fraglich. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP angewiesen.
DUP-Chefin Arlene Foster hat klar gemacht, dass die Unterstützung ihrer Partei für die Regierung dann auf den Prüfstand kommt. Die Premierministerin könnte sich bei weiteren Abstimmungen, zum Beispiel beim Haushaltsgesetz wohl nicht mehr auf die DUP stützen. May wäre dauerhaft auf Hilfe aus der Opposition angewiesen - kaum vorstellbar - oder ihre Regierung wäre am Ende.
Denkbar wäre, dass die Konservativen dann unter dem Druck der DUP die Premierministerin stürzen und einen anderen Chef wählen. Doch der würde unter dem Druck stehen, im Tausch für die Unterstützung der DUP noch mal in Brüssel nachzuverhandeln. Das Brexit-Abkommen stünde wieder auf der Kippe.
Die EU hat deutlich gemacht, dass es kein besseres Angebot geben wird. Grossbritannien würde dann wohl auf einen EU-Austritt ohne Abkommen zusteuern.
Nach aussen hin setzt May alles auf eine Karte. Mein Deal, kein Deal oder kein Brexit, so lautet ihre Devise. Doch Berichten zufolge wird längst für einen zweiten Wahlgang geplant.
Szenario 3: Märkte beeinflussen Entscheidung
Sollte die Reaktion an den Märkten nach einer Niederlage der Regierung am 11. Dezember heftig ausfallen, könnten viele Abgeordnete kalte Füsse bekommen und beim zweiten Mal anders abstimmen, so das Kalkül. May würde wohl auch versuchen, Brüssel zumindest symbolische Zugeständnisse in der Erklärung über die künftige Beziehung abzuringen.
Doch Experten warnen, der Plan sei nicht ohne Risiko. Die Märkte könnten in Erwartung einer zweiten Abstimmung zunächst stabil bleiben. Der Schock-Effekt bei den Abgeordneten bliebe aus und sie könnten den Deal noch einmal durchfallen lassen.
Dann wäre die Regierung wohl am Ende und das Land würde möglicherweise auf eine Neuwahl oder ein zweites Referendum zusteuern. Dafür müsste aber zunächst das Austrittsdatum verschoben werden. Auch die Gefahr eines Brexit ohne Abkommen wäre nicht gebannt.
Szenario 4: Niemand will den Deal
Stimmt jedoch mehr als die Hälfte der Abgeordneten aus Mays Regierungspartei gegen den Deal, könnte bereits nach dem ersten Wahlgang für May das politische Aus gekommen sein.
Der Politikwissenschaftler Simon Usherwood von der Universität Surrey hält es für möglich, dass May zurücktritt. Dann müssten sich die Konservativen auf einen neuen Chef einigen. Völlig offen wäre, welche Richtung Grossbritannien dann einschlägt. Auch in diesem Szenario wären eine Neuwahl, ein zweites Referendum oder ein Brexit ohne Abkommen nicht ausgeschlossen.
Szenario 5: Austrittstext sorgt für Chaos
Die grösste Verwirrung aber könnte entstehen, wenn das Parlament den Beschlusstext für die Annahme des Austrittsabkommens so weit verändert, dass nicht klar ist, ob die Regierung das Abkommen unterzeichnen darf oder nicht. Ein Streit darüber könnte vor Gericht ausgetragen werden. (SDA)