Arzt aus Bergamo verzweifelt über Coronavirus-Epidemie
«Unsere Notaufnahme bricht zusammen!»

Die Coronavirus-Epidemie nimmt in Italien immer dramatischere Züge an. Ein Arzt aus Bergamo offenbart in einem Facebook-Post, wie schlimm die Situation in seinem Krankenhaus aussieht und appelliert an die Menschen, Mitleid mit den Alten zu haben.
Publiziert: 10.03.2020 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2020 um 12:53 Uhr
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Daniele Macchini ist Arzt in Bergamo. Er klagt über die Zustände seit dem Ausbruch des Coronavirus.
Foto: Humanitas

Daniele Macchini kann nicht mehr. Der Italiener ist Arzt auf der Intensivstation im Spital in Bergamo in Norditalien. Das Coronavirus und der Umgang damit belasten den Mann sehr. Auf Facebook schildert er, wie der Alltag für die Mediziner im Krankenhaus seit der Epidemie aussieht.

«Ich verstehe die Notwendigkeit, keine Panik zu erzeugen. Aber wenn die Botschaft von der Gefährlichkeit des Geschehens die Menschen nicht erreicht und ich immer noch von Menschen höre, die sich einen Dreck um die Empfehlungen scheren, und Menschen, die sich darüber beschweren, dass sie nicht ins Fitnessstudio oder zu Fussballturnieren gehen können, dann erschaudere ich», beginnt der Arzt.

«Die Notaufnahme bricht zusammen»

In den letzten Wochen – vor dem Anstieg der Erkrankungen – habe sich die Arbeit im Spital komplett verändert. Die Intensivpflege sei freigeräumt worden, um so viele freie Betten wie möglich zu schaffen. Es sei eine «Atmosphäre der Stille und surrealen Leere in den Korridoren eingekehrt.»

Vor einer Woche habe er auf das Testergebnis des ersten Verdächtigen gewartet. Jetzt gebe es beinahe keine freien Betten mehr. «Die Situation ist jetzt, gelinde gesagt, dramatisch. Der Krieg ist buchstäblich explodiert und die Kämpfe laufen Tag und Nacht ununterbrochen», schreibt Macchini.

Die Patienten, die jetzt in die Notaufnahme stürmen, hätten sich zuvor vorbildlich verhalten. Sie seien zehn Tage mit Fieber zu Hause geblieben. «Aber jetzt können sie es nicht mehr ertragen. Sie können nicht mehr richtig atmen, sie brauchen Sauerstoff», sagt der Arzt. Bis zu 20 Personen würden täglich eingeliefert werden. «Die Notaufnahme bricht zusammen. Jedes Beatmungsgerät wird so wertvoll wie Gold.»

Die Namenstafeln der Patienten, die je nach Operation unterschiedliche Farben haben, seien jetzt alle rot. Die Diagnose immer die gleiche: interstitielle Lungenerkrankung. Macchini spricht von einer «epidemiologischen Katastrophe».

Belastung für das Personal steigt

Es gebe mittlerweile keine Chirurgen, Urologen oder Orthopäden mehr. «Wir sind nur Ärzte, die plötzlich Teil eines einzigen Teams werden, um diesem Tsunami zu begegnen, der uns überwältigt hat.»

Das Personal sei erschöpft. Die ohnehin grosse Arbeitsbelastung steige ins Unermessliche. Trotzdem zeigen sich alle solidarisch. «Keiner hat es je versäumt, zu unseren Internistenkollegen zu gehen und zu fragen: ‹Was kann ich jetzt für dich tun?›» Ärzte würden die Arbeit der Krankenschwestern übernehmen, Betten rumschieben und Therapien verabreichen.

«Es gibt keine Schichten und keine Stunden mehr. Das soziale Leben ist für uns ausgesetzt.» Arzt Macchini selber habe seinen Sohn bereits seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Aus Sorge, ihn anzustecken. Würde das Kind dann das Virus auf die Grosseltern übertragen, wäre es fatal. «Ich begnüge mich mit ein paar Fotos von ihm, die ich unter Tränen anschaue.»

Einige der infizierten Kollegen haben auch ihre Verwandte angesteckt. Und einige der Verwandten würden nun um ihr Leben kämpfen.

«Mitleid mit alten Menschen»

Der Arzt appelliert mit seinem Post an die Bevölkerung: «Seien Sie geduldig und gehen Sie nicht ins Theater oder ins Fitnessstudio. Stürmen Sie nicht massenhaft die Supermärkte. Versuchen Sie, Mitleid mit den unzähligen alten Menschen zu haben, die Sie ausrotten könnten.»

In Italien gibt es über 10'000 bestätigte Coronavirus-Fälle. 631 Menschen sind verstorben. Diese Zahl wird in einigen Stunden wieder gestiegen sein.

Am Montag hat Ministerpräsident Giuseppe Conte das ganze Land zu einer Sperrzone erklärt. Nur wer arbeiten muss oder einen Notfall hat, darf ausreisen. (man)

Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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