«Als US-Präsident habe ich totale Macht!»
So setzt die Verfassung «König» Trump Grenzen

Der US-Präsident beansprucht in der Corona-Krise «totale Macht» – doch so einfach ist es nicht.
Publiziert: 14.04.2020 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2020 um 15:01 Uhr
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Trumps tägliche Pressekonferenz war zu Wochenbeginn besonders denkwürdig.
Foto: DUKAS
Fabienne Kinzelmann

Donald Trumps (73) Pressekonferenz am Montagabend war ein bizarres Schauspiel. Der US-Präsident hielt eine irre Wutrede gegen Medien und Demokraten, liess sich von seinem Chef-Virologen Anthony Fauci (79) loben und zeigte ein PR-Video, das offensichtlich seine Fehler in der Corona-Krise überdecken sollte.

Ein Satz liess jedoch besonders aufhorchen. «Wenn jemand der Präsident der Vereinigten Staaten ist, hat er die totale Autorität», sagte Trump. Es ging dabei um die Frage, wer bei Lockerungen der Corona-Massnahmen die finale Entscheidungsmacht hat: Trump oder die Gouverneure der jeweiligen Staaten. Zum Entsetzen vieler Gouverneure und Wissenschaftler will Donald Trump die Coronavirus-Beschränkungen wegen der sich abzeichnenden schweren Wirtschaftskrise möglichst bald wieder lockern.

Bereits am Montagmorgen hatte Trump getwittert, es sei «die Entscheidung des Präsidenten» und nicht der Gouverneure, wann «die Staaten geöffnet werden». Bei der Pressekonferenz machte der US-Präsident keinen Hehl daraus, dass er von seiner angeblich «totalen Macht» Gebrauch machen werde: «So wird es laufen.»

Entscheid über Lockerungen liegt bei Staaten

Auf die verdutzte Nachfrage eines Journalisten wiederholte Trump: «Sie (die Autorität) ist total! Und die Gouverneure wissen das.» Widerspruch liess er nicht zu. «Bei dem Thema, über das wir reden, ist die Macht des US-Präsidenten total.»

Kann er als US-Präsident das komplette Land also öffnen, wann er will?

Nein, sagen Verfassungsrechtler. Denn die Entscheidungsgewalt, Schulen oder Unternehmen zu schliessen, liegt bei den jeweiligen Gouverneuren der US-Staaten. Selbst in der Corona-Krise hat der US-Präsident verfassungsgemäss nicht das Recht, sich über die Massnahmen der Staaten hinwegzusetzen.

Trump selbst scheiterte auch daran, seine Behauptung juristisch zu rechtfertigen. Sein Vize Mike Pence (60) sprang ihm zu Hilfe: «Ich unterstütze die Führung des Präsidenten unter der Notstands-Erklärung, die er unterzeichnet hat.» Am 13. März hatte Trump mit seiner Unterschrift den nationalen Notstand wegen der Corona-Pandemie erklärt. Darin wird jedoch in Sachen Befugnisse auf die Verfassung der Vereinigten Staaten verwiesen.

Andrew Cuomo widerspricht Trump

Andrew Cuomo (62), Gouverneur des Corona-Epizentrums New York, widersprach Donald Trump dann auch entschieden. «Der Präsident hat keine allumfassende Macht. Wir haben eine Verfassung, wir haben keinen König», sagte Cuomo dem Nachrichtensender «CNN». Auch eine landesweite Krise setze die Verfassung nicht ausser Kraft.

Statt auf den US-Präsidenten zu hören, der die Corona-Krise lange verschleppt hat, besprechen sich die Gouverneure bei Entscheidungen zu einer Lockerung der Beschränkungen lieber untereinander. Cuomo will sich mit New Jersey, Connecticut, Pennsylvania, Rhode Island und Delaware eng abstimmen. An der Westküste spannen Kalifornien, Oregon und Washington zusammen.

«Kein Gesetz überträgt ihm eine solche Befugnis»

Es ist laut «CNN» nicht ausgeschlossen, dass Trump sich gegen einzelne Staaten durchsetzen könnte – es gilt jedoch als unwahrscheinlich. Trump liege «falsch», wenn er behauptet, er könne die Corona-Massnahmen von US-Bundesstaaten aufheben, sagt etwa der Professor James Hodge, Direktor des Zentrums für Gesundheitspolitik und Recht in Arizona. «Er kann nachdrücklich zu etwas ermutigen, beraten oder sogar prozessieren (...) aber er kann den souveränen Gouverneuren nicht sagen, dass sie diese Anordnungen auf einmal aufheben sollen, nur weil die Bundesregierung entscheidet, dass es höchste Zeit dafür ist.»

Auf Twitter schrieb der texanische Rechtsprofessor Stephen Vladeck: «Der Präsident hat keine formelle rechtliche Befugnis, sich kategorisch über lokale oder staatliche Anordnungen zum Schutz vor Ort hinwegzusetzen oder Schulen und kleine Unternehmen wiederzueröffnen. Kein Gesetz überträgt ihm eine solche Befugnis; keine Verfassungsbestimmung verleiht ihm eine solche Autorität.» Die totale Macht, die Trump beanspruche, sei der Inbegriff einer totalitären Regierung «welche unsere Tradition, unsere Verfassung und unsere Werte richtig und entschieden ablehnen».

Dass in den meisten US-Bundesstaaten mittlerweile weitreichende Corona-Massnahmen gelten, war ebenfalls die Entscheidung der einzelnen Gouverneure. Und: Trump selbst hatte deren Autorität anerkannt. In einem unverbindlichen Corona-Leitfaden für die Amerikaner schrieb er in Grossbuchstaben: «Hören Sie auf die Anweisungen Ihrer staatlichen und lokalen Behörden und folgen Sie ihnen.»

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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